Die Rache der Horden
hinaufblickte, das hoch am Nachthimmel stand.
»Zuzeiten kann ich einfach nicht glauben, dass ich mein Volk so in die Katastrophe geführt habe, dass ich jetzt nur noch zwei Umen unter dem Banner deines Volkes führen und auf diese Weise um ein bisschen Schutz betteln kann, während die Jurten meiner Clans zweitausendvierhundert Kilometer entfernt stehen, ohne Schutz und als Geiseln für unser Wohlverhalten.«
Muzta entfernte sich von Tamuka, und sein Blick wanderte über das Lager, aus dem die Rufe der Feiernden heraufklangen, die Schreie sterbenden Viehs, die Lieder der Sänger, die tief knurrende Stärke der Merkihorde.
»Sie werden euch ebenso verändern wie uns«, fuhr Muzta kalt fort. »Als ich in der Jurte meines Vaters zur Welt kam, drückte man mir den Bogen in die Hand, das Erste, was ich zu fassen bekam, ehe ich noch die Zitze meiner Mutter umklammerte. Sobald mein einziger überlebender Sohn seinen Erstgeborenen gezeugt hat, was soll ihm dann in die Hand gedrückt werden?
Soll es das Werkzeug des Viehs sein, die Waffen, die diese Kreaturen uns aufzwingen, die Umhüllungen der Schiffe, die ihre Bahn durch die Luft ziehen, der Hammer, der auf die Schmiede fallt, die Eisengleise, auf denen ihre Feuer speienden Drachen fahren?
All diese Dinge zwingt uns das Vieh auf, falls wir überleben möchten«, schloss Muzta leise.
»Deshalb sage ich ja auch, dass wir sie alle töten müssen!«, hielt ihm Tamuka scharf entgegen, und Leidenschaft vibrierte in seiner Stimme. »Um das zu bewahren, was wir sind, müssen wir sie letztlich vernichten. Wir müssen alles lernen, was sie wissen, sie dann niederwerfen und anschließend jede Erinnerung an sie und ihre Apparate beseitigen. Erst dann können wir wieder über die Steppe ziehen, wie es unser Recht ist.«
Muzta schüttelte den Kopf und lachte.
»Und wer ernährt uns dann? Wir reiten fett und aufgedunsen dahin, treffen jeden Herbst in einer ihrer Städte ein und wissen, dass uns alles geliefert wird, was wir brauchen. Und was ist, wenn sie erst nicht mehr da sind?«
»Sobald die Welt von ihnen gesäubert wurde, sind wir aufs Neue die Horden von einst. Wir lernen neue Methoden, frei von diesem Viehungeziefer, das uns zu vernichten droht. Wir lernen, unsere Nahrung selbst zu gewinnen. Niemals kann Frieden zwischen uns herrschen. Jubadi irrt sich, wenn er glaubt, dass wir sie einfach hier besiegen müssen und dann alles wieder so sein wird wie früher.«
Zornig auf sich selbst, weil er einen direkten Widerspruch zur Meinung seines Qar Qarth einem Nichtmerki gegenüber geäußert hatte, wandte sich Tamuka ab und knurrte wütend.
»Falls ich jemals erwähne, dass du diese Worte zu mir gesprochen hast«, sagte Muzta leise, »kostet es dich das Leben. Denn würde einer meiner vertrauten Ratgeber so handeln, schlüge ich ihn mit dem eigenen Schwert nieder.«
»Dann tue es doch!«, bellte Tamuka, ohne ihn anzublicken.
»Du bist bei mir sicher, Schildträger«, flüsterte Muzta.
Tamuka wusste, dass er dankbar sein sollte, denn schließlich lag sein Leben derzeit in der Hand des Qar Qarths einer anderen Horde.
»Und euer Zan Qarth Vuka, würde er je auf dich hören?«
Tamuka drehte sich wieder zu ihm um.
»Glaube ja nicht, dass du mich bestechen kannst, indem du mir das Leben schenkst, Tugare!«
Muzta lächelte.
»Das habe ich nicht vor. Dein Leben gehört dir. Ich habe nicht den Wunsch, darüber zu bestimmen.«
Tamuka nickte schließlich.
»Ist euer Zan Qarth bereit zu führen, falls Jubadi diesmal fällt?«, fragte Muzta leise, als richtete er die Frage an sich selbst. »Du glaubst womöglich, dass Jubadi die falschen Pläne für den Umgang mit dem Vieh hat, wenn der Krieg gewonnen wurde, aber weder du noch ich können leugnen, dass er ein würdiger Krieger ist. Er leidet an Selbstüberschätzung im Hinblick auf die Yankees, aber er ist tüchtig. Gilt das auch für euren Zan Qarth?«
Vuka als Qar Qarth? Dafür wurde Tamuka schon sein Leben lang geschult. Man hatte ihn unter allen anderen ausgewählt, um an der Seite des nächsten Anführers der Horde zu stehen. Aber Vuka war nutzlos. Er würde einfach immer nur tollkühn vorstürmen wie damals auf den Straßen von Roum, wie es auch dieser Tugare getan hatte. Dann gab es keine Führungskunst mehr, wie sie Jubadi eigen war.
Und er war ein Brudermörder, wie Tamuka fest glaubte.
»Er wird bereit sein«, antwortete er mit kalter Stimme.
»Aber natürlich.« Muztas Zähne schimmerten rot im Mondlicht, als er
Weitere Kostenlose Bücher