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Die Rache der Horden

Die Rache der Horden

Titel: Die Rache der Horden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William R. Forstchen
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einer Tafel ausgebreitet.
    Als die Horde die Hügel von Constan überquerte, stand ich auf der höchsten Erhebung, und so weit das Auge reichte, blickte ich auf die Horde in ihrer schier grenzenlosen Zahl. Ich bin durch so hohes Gras geritten, dass es mir über den Kopf reichte – ein grüner Ozean, der im Wind schwankte und gesprenkelt war von den Köpfen von hunderttausend Kriegern. Ich habe die kreisenden Stürme gesehen, das grüne Aufleuchten bei Sonnenuntergang, die Welt in Eis gehüllt und Felder voller Kargak, so rot, dass die Welt sich ausbreitete wie ein Scharlachteppich.
    Ich habe mehr gesehen, als Ihr Euch vorstellen könnt, der Ihr an nur einem Ort lebt. Ich habe wie ein Merki gelebt.«
    »Und Ihr habt Gefallen daran gefunden«, sagte Andrew.
    Juri lächelte von neuem.
    »Wenn man von bestimmten Anforderungen des Überlebens absieht, wer könnte es nicht lieben? Keane, jeden Tag, an dem Ihr wach werdet, wisst Ihr, was Ihr zu sehen bekommt, wenn Ihr zu Eurer Tür hinausgeht. Tage werden zu Monaten und zu Jahren, und immer bleibt es gleich. Ich habe mehr vergessen, als Ihr je sehen werdet.«
    »Und Ihr habt das Schmausen gesehen.«
    Juri blickte ihm offen in die Augen.
    »Ja, ich habe das Schmausen gesehen.«
    Andrew blickte ihm in die Augen. Was hatte er wirklich alles gesehen? Wie üblich zeigte sich Juri ausdruckslos, und Andrew ging ein flüchtiges Erinnerungsbild von Konterbande durch den Kopf, den flüchtigen Sklaven, die die Frontlinien durchquerten. Von ihnen kannte er solche Gesichter schon: ausdrucksloses Starren, das einem weißen Mann niemals ein Gefühl verriet, einem Mann, der sie womöglich beherrschen konnte. So hatte auch dieser Mann als Schoßtier, als Sklave überlebt. Er hatte jedes Gefühl überwunden, jeden Hass, jede Liebe, hatte all das Grauen mit leerem Blick verfolgt und sich lieber an Augenblicke erinnert, die eine besondere Saite in seinem Herzen anschlugen. Und trotzdem hegten fast alle von der Konterbande einen tiefen und hartnäckigen Hass auf ihre Herren. Fast alle. Ein paar traf man an, die in jener seltsamen perversen Beziehung zwischen Sklave und Herr Liebe zu ihren Eigentümern entwickelt hatten.
    Andrew fasste Juri schärfer ins Auge. War er einer von diesen wenigen und hielt er nach zwanzig Jahren denen die Treue, die das Fleisch seiner Mitmenschen verzehrten? War er ein Spion, wie Hans und Kai glaubten? Oder war er nur eine arme gequälte Seele, aufgrund seiner Sünden aus beiden Welten verstoßen, die er kannte?
    »Zuzeiten empfindet Ihr Abscheu für mich«, stellte Juri lächelnd fest.
    Andrew sagte nichts dazu.
    »Ich kann das verstehen. Meist verabscheue ich mich selbst.«
    Andrew wandte sich von ihm ab und blickte wieder zu den feindlichen Linien hinüber.
    »Erklärt mir, was geschehen wird«, verlangte er schließlich und beendete damit das unbehagliche Schweigen.
    »Seht Ihr diese Standarte, die rote Stange mit dem Querbalken?«
    »Sieht fast wie ein Kreuz aus«, sagte Andrew, nachdem er den Feldstecher auf die von Juri angegebene Stelle geschwenkt hatte.
    »Es ist die Standarte des Qar Qarth Jubadi. Zwanzig Rossschweife hängen an der Stange, einer für jeden Unterclan der Merkihorde. Das bedeutet: er ist da.«
    Andrew nickte.
    »Oder zumindest heißt es: er möchte, dass Ihr denkt, er wäre da.«
    Andrew sah Juri wieder an und bemerkte dabei im Augenwinkel den eigenen Fahnenträger, der das blaue Tuch mit dem Adler eines Colonels hochhielt. Die Fahne hing schlaff, und er fragte sich unvermittelt, ob es wirklich eine so gute Idee gewesen war, die eigene Stellung zu verraten.
    »Womit können wir als Nächstes rechnen?«
    »Selbst wenn er einen von vornherein verlorenen Krieg führt«, antwortete Juri, »ist die Gerissenheit Jubadis bei seinem Volk geradezu legendär. Wenn er nicht dabei steht, nennen sie ihn liebevoll ›Vag Oge‹, den Schlauen Fuchs. Ich habe Euch schon erzählt, wie er vor zwei Jahren das Elite-Umen der Bantag in eine Falle lockte und vernichtete.«
    Andrew nickte.
    »Das ist sein Stil – er geht gern selbst an die Front. Ohne seinen Schildträger wäre er wahrscheinlich schon längst tot.«
    »Schildträger?«
    Juri lachte leise.
    »›Pak qar numradgs so lautet die genaue Bezeichnung.«
    »Und was bedeutet das?«
    »Die Merki werden regiert von Jubadi, dem Qar der Qarths oder Qar Qarth, dem Oberhäuptling der Clans. Der Schildträger verkörpert eine seltsame Kombination. Er ist zum Teil Leibwächter, trägt demzufolge den Bronzeschild

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