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Die Rache der Kinder

Die Rache der Kinder

Titel: Die Rache der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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mich ist alles zerstört.«
    »Das muss es nicht.« Rob riss entsetzt die Augen auf. »Wirklich nicht.«
    »Ich fürchte, doch«, entgegnete Kate.
    Beide hatten einen ganzen Katalog hormon- und trauergetriebener Fehler vorzuweisen.
    »Du bist stur«, hatte Michael, Kates Vater, einige Zeit später gesagt.
    »Beide sind stur«, hatte Bel bestätigt, der Kate inzwischen fast vergeben hatte.
    Rob war inzwischen in eine Wohnung in Coley Hill gezogen. Wenn der Schmerz erst verebbt und die Wut verflogen sei, erklärten Michael und Bel, würde Kate schon merken, wie leer das Haus ohne Rob sei, wie tot …
    So tot wie ihr Sohn.
    »Es ist für alle offensichtlich, dass ihr euch noch liebt«, versuchte Bel es noch einmal. »Warum schluckt ihr euren Stolz nicht einfach runter?«
    Es war eine faire Frage, das wusste Kate, und es gab nur eine Antwort darauf.
    Dummheit.

9. Ralph
    Es war das Grab von Wayland’s Smithy und das Ritual der Kinder, sich nachts aus dem Heim zu schleichen, das Ralph zu ihnen geführt hatte.
    Natürlich war sie nicht sofort Ralph gewesen, der »Häuptling« (Ralph war der Name des Anführers der Kinder im Roman). Außerdem waren sie zu Anfang der Meinung gewesen, dass Ralph Ärger brachte und sie alle in die Scheiße reiten würde.
    Schließlich war sie eine von denen . Eine Erwachsene. Alt.
    Aus dem Heim.
    Noch heute, viele Jahre später, erinnerte sie sich, was sie bei jenem ersten Mal empfunden hatte, als sie in der Dunkelheit vor der Kammer gestanden und sich hinter einem der großen Megalithen verborgen hatte, um zu lauschen und zu beobachten.
    Sie war fasziniert.
    Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und ihre Hände waren feucht von Schweiß.
    Irgendetwas tief in ihrem Innern wurde angezapft, eine Art emotionaler Brunnen, der seit ihrer Jugend verschlossen gewesen war, als ihr Vater es notwendig gemacht hatte, dass sie alle Gefühle aussperrte, wollte sie überleben.
    Vergewaltigung, Schwangerschaft und die Tötung ihres Erstgeborenen.
    Nein, nicht geboren .
    Seitdem war sie unfruchtbar, im Körper wie im Geist.
    Bis zu diesem Augenblick.
    Damals war sie Sozialarbeiterin in Challow Hall gewesen und hatte bei der Pflege der Kinder geholfen. Es war eine verantwortungsvolle Position, auf die sie nicht besonders stolz war. Sie wusste, dass sie mit ihrer Intelligenz, die sie von den Eltern geerbt hatte – ihre Mutter war Lehrerin, ihr Vater Bibliothekar –, akademisch weiter gekommen wäre, doch sie war nur so weit gegangen wie nötig und dann stehen geblieben, weil sie einfach nicht weitergewollt hatte.
    Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass sie zu jener Zeit überhaupt auf irgendetwas stolz gewesen wäre. Sie war nur die Hülle eines Menschen, die weder Stolz noch sonst eine Emotion hatte empfinden können.
    Eine Frau, die sich selbst beigebracht hatte, nichts zu fühlen.
    Sie war durch Zufall auf die Kinder gestoßen, als sie an einem Winterabend das Heim verlassen hatten. Sie hatte angehalten, um im Wagen nachzusehen, ob sie eine bestimmte Akte mitgenommen hatte, als sie in der dunklen Ferne flackernde Lichter bemerkte.
    Daraufhin hatte sie das Fenster geöffnet und ein merkwürdiges Geräusch gehört.
    Silberhell in der Abendluft.
    Das Lachen eines Mädchens und eines Jungen.
    Dann war das Geräusch plötzlich verstummt, vielleicht unterdrückt.
    Die Lichter stammten von Taschenlampen, erkannte sie nach einem Moment. Sie bewegten sich gleichmäßig vom Heim über die Feldwege, durch die Weizenfelder und hinauf zum hohen Gras auf dem pechschwarzen Ridgeway.
    Sie stellte den Motor ab und holte ihre eigene Taschenlampe aus dem Handschuhfach.
    Und dann folgte sie ihnen.
    Anschließend war sie nicht sicher, was ihre ursprünglichen Motive gewesen waren: Die Kinder, vermutete sie, führten irgendetwas im Schilde. Was immer sie vorhatten – sie brachten sich in Gefahr. Doch in dem Augenblick, als sie die Entscheidung getroffen hatte, ihnen zu folgen, hatte sie es weder um der Disziplin willen getan noch aus Sorge um die Kinder.
    Tatsächlich hatte sie sich in jenen Tagen um überhauptniemanden gesorgt, nicht einmal um sich selbst. Sie war bloß neugierig gewesen, besonders, nachdem ihr klar geworden war, dass die Kinder zu dem uralten, langen Ganggrab unterwegs waren, das als Wayland’s Smithy bekannt war.
    Sie blieb am Tor der Anlage zurück, im Schutz von Bäumen, und beobachtete, wie die Kinder hintereinander über den Pfad gingen. Nun konnte sie im Mondlicht sehen, dass sie zu viert waren;

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