Die Rache der Kinder
Das Gespräch entwickelte sich recht interessant, bis ein weiterer Streit zwischen zwei anderen Gruppenmitgliedern ausbrach und ein weißhaariger Mann mit Namen Charles die Betreffenden wieder zur Ordnung rufen musste.
Sandi wartete bis zur nächsten Pause.
»Zu viele Häuptlinge«, sagte sie mit einem Lächeln und schaute zu Kate.
Das Wort traf Kate wie ein Schlag.
Bel sah ihre Reaktion. »Liebling? Alles okay?«
»Ja, alles okay«, antwortete Kate mechanisch.
»Willst du gehen?«, fragte Bel.
»Ich glaube, ja«, antwortete Kate. »Tut mir leid.«
Sie wollte nicht in einen weiteren Mord verwickelt sein.
»Wenn das nichts zu bedeuten hatte«, sagte Kate später zu Rob, »warum hat sie mich dann so angeschaut, als sie das gesagt hat?«
»Vermutlich war sie bloß verstimmt, weil du sie in ihre Schranken gewiesen hast«, antwortete er.
»Findest du, ich hatte kein Recht dazu?«
»Natürlich hattest du das Recht.«
»Willst du mich versöhnlich stimmen?« Kate verspannte sich wieder.
»Nein«, antwortete Rob. »Ich finde, dass Sandi eindeutig ihre Grenzen überschritten hat.«
»Aber du findest auch, dass ich in diese letzte Bemerkung zu viel hineininterpretiere, nicht wahr?«
»Ja«, bestätigte Rob.
Das beruhigte Kate so weit, dass sie die Sache auf sich beruhen ließ. Rob hatte vermutlich recht. »Zu viele Häuptlinge« war eine ganz gewöhnliche Phrase, die nichts mit dem zu tun hatte, was ihr widerfahren war.
Und wenn sie ihr eigenes verrücktes »Spiel« spielen und hinter jeder Ecke Terroristen sehen wollte, musste sie sich schon jemand Wahrscheinlicheren aussuchen als ausgerechnet Sandi West.
62. Kate
Am folgenden Montag, vier Tage nach dem Treffen der Selbsthilfegruppe, war Kate nach einem Gespräch mit Fireman in der Zeitungsredaktion gerade wieder nach Hause gekommen, als sie es hörte – weniger als eine Sekunde nachdem sie die Haustür hinter sich geschlossen hatte.
Es kam aus dem Wohnzimmer. Vom Fernseher.
Eine Stimme, die so schrecklich vertraut klang, dass ihr ein Schauder über den Rücken lief.
Kate stürmte in das Zimmer, und da war Rob. Vor ihm auf dem Tisch lag Arbeit. Er hielt die Fernbedienung in der Hand und schaltete von einem Kanal auf den anderen.
»Die Frau, die gerade gesprochen hat …«, stieß Kate hastig hervor. »Hast du sie gesehen?«
»Wen?« Rob schaute sie verwirrt an.
»Die Frau, die gerade gesprochen hat, vor gut einer Sekunde.« Kate wusste, dass Rob sie wahrscheinlich für verrückt hielt. »Im Fernsehen.«
»Ist alles in Ordnung mit dir?« Rob legte die Fernbedienung beiseite und stand auf. »Gab es bei der Zeitung ein Problem? Wie geht es Fireman?«
»Dem geht es gut.« Kate kämpfte gegen ihre Ungeduld an. »Rob, das ist verdammt wichtig. Ich habe eine Stimme gehört, als ich hereingekommen bin … Ich muss wissen, wer da gesprochen hat.«
»Tut mir leid«, sagte Rob. »Da kann ich dir nicht helfen.«
»Versuch es«, hakte Kate nach. »Welche Sendung ist gerade gelaufen?«
Er zuckte mit den Schultern. »Werbung, nehme ich an. Ich hab nicht zugehört. Ich hab mir eine kleine Pause gegönnt und nach etwas gesucht, das anzuschauen sich gelohnt hätte.«
Kate blickte auf die Papiere, die auf dem Tisch lagen, und ließ sich in den Sessel fallen. Ihr war schlecht.
»Das war Roger«, sagte sie.
Nun dämmerte es Rob. »Du meinst, die Stimme hat sich wie Roger angehört.«
Verdammter Lehrer .
»Nein, sie war es«, sagte Kate.
»Okay«, sagte Rob. »Vielleicht. Was hat sie gesagt?« Er setzte sich ihr gegenüber aufs Sofa. »Vielleicht habe ich es ja gehört, ohne es bewusst registriert zu haben. War es ein Werbespot, ein Programm oder was? Kannst du dich erinnern, was sie gesagt hat? Hat sie vielleicht etwas verkauft?«
Kate schloss die Augen. In ihrem Kopf drehte sich alles. Krampfhaft versuchte sie, sich zu erinnern, doch es gelang ihr nicht.
»Scheiße.« Sie öffnete die Augen wieder. »Scheiße.«
Rob schwieg und ließ ihr Zeit.
»Und du weißt noch nicht einmal, welcher Sender es war?«, fragte Kate.
»Tut mir leid. Die Chancen stehen hoch, dass es gar nicht Roger gewesen ist.«
»Das glaube ich aber doch«, erwiderte Kate.
»Dann denk am besten nicht mehr darüber nach«, erklärte Rob. »Auf diese Weise fällt es dir später bestimmt wieder ein.«
»Wenn es ein Werbespot war«, sagte Kate, »könnten wir sie aufspüren.«
»Wenn«, sagte Rob.
Im Laufe des nächsten Monats wurde Kate immer besessener. Dabei war sie sich durchaus
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