Die Rache des Griechen
ging ungleichmäßig und heftig.
Kallie wusste, dass er sie nicht mehr küsste. Doch dieses Wissen war wie eine bizarre intellektuelle Tatsache. Sich zu bewegen oder gar die Augen zu öffnen, gelang ihr nicht. Erst als er mit dem Finger über ihre Wange streifte, löste sich ihre Erstarrung. Sie riss die Augen auf und blickte in seine, die voller Verlangen dunkel schimmerten. Ein Geräusch erklang, und sie wandte den Kopf. Mit offenem Mund blickten ihre Verwandten sie an.
Ihr aufgesetztes strahlendes Lächeln durchbrach den Bann, der sich auf den Raum gelegt zu haben schien. Die Gäste begannen zu applaudieren. Alexandros ergriff ihre Hand und führte Kallie nach draußen. Erst als sie sich sicher war, ein gewisses Maß an Selbstbeherrschung wiedererlangt zu haben, wandte sie sich an ihn. „Glaub nicht, dass ich, nur weil ich der Familie eine Show bieten kann, dasselbe auch für dich tue“, erklärte sie kühl, bevor sie sich den vielen gratulierenden Umarmungen der Anwesenden ergab.
Seine Miene verdüsterte sich, was Kallie wiederum freute, auch wenn sie nur allzu gut wusste, dass er kein Mann war, den man leichtfertig verärgern sollte. Er würde sich für jede ihrer Anmaßungen rächen. Jetzt jedoch blieb ihr eine Antwort erspart. Und bevor sie wusste, wie ihr geschah, saß sie auch schon in dem Wagen, der sie zu dem exklusiven Hotel bringen sollte, in dem das Hochzeitsessen stattfand.
Wenige Stunden später vermochte nur der Anblick des prächtig geschmückten Ballsaals Kallies aufsteigende Panik zurückzuhalten. Dort saßen an runden Tischen Alexandros’ sowie ihre Familienangehörige, von denen sie manche schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. In diesem Moment hob ihre Tante Petra, die neben ihrem geliebten Ehemann Alexei saß, grüßend eine Hand. Kallie winkte schwach zurück.
Endlich war das Essen vorüber, und Kallie konnte sich Alexandros’ verstörender Gegenwart entziehen. Glücklicherweise waren sie übereingekommen, keine Reden zu halten. Das wäre wirklich zu viel des Guten gewesen. Sie entschuldigte sich, sie müsse sich ein wenig frisch machen. In der Damentoilette benetzte sie ihre Handgelenke und den Hals mit Wasser, um ihren Puls zu beruhigen, der seit dem Kuss im Standesamt nicht aufgehört hatte zu rasen.
Sie sandte ein schweigendes Dankgebet zum Himmel, dass Eleni und ihr Ehemann nicht eingeladen worden waren, und schämte sich gleich darauf für diesen gemeinen Gedanken. Sie betrachtete ihr gequältes Gesicht im Spiegel. Warum konnte sie nicht mehr wie er sein? Vom Hals an abwärts emotional eiskalt?
Müde richtete sie Haare und Make-up und machte sich auf den Rückweg. Dabei vermied sie jeden Gedanken, der sich mit der Zukunft oder der heutigen Nacht beschäftigen wollte. Nur einer Sache war sie sich absolut sicher: Sie würde nicht mit ihm schlafen.
Kallie unterhielt sich gerade mit einer ihrer Tanten, als ein elektrisierendes Kribbeln ihr Alexandros’ Gegenwart ankündigte. Voller Verzweiflung schloss sie kurz die Augen; als sie sie wieder öffnete, hatte sich ein Arm um ihre Taille gelegt. Sie blickte nicht auf, lächelte ihr Gegenüber aber strahlend an und plauderte munter weiter über Belanglosigkeiten. Deutlich spürte sie die Spannung, die von dem Mann neben ihr ausging, als er sie fester an sich zog.
„Bist du bereit zu gehen?“
Als ob ich eine andere Wahl hätte, dachte Kallie ein wenig hysterisch. Sie nickte nur, stellte aber überrascht fest, dass sie tatsächlich der Aufmerksamkeit, den Blicken und Fragen entkommen wollte. Sie verabschiedeten sich von ihren Gästen.
In der Lobby, er hielt ihre Hand fest in seiner, stolperte sie, weil sie kaum mit seinen großen Schritten mithalten konnte. In diesem Augenblick wurde ihr die Ungeheuerlichkeit ihrer Tat erst wirklich bewusst. Sie befanden sich auf dem Weg nach draußen, fort von jedem Schutz. Sie würde mit Alexandros alleine sein, und er erwartete von ihr …
Wie angewurzelt blieb sie stehen. Alexandros wandte sich mit düsterer Miene zu ihr um. „Was ist denn jetzt schon wieder los?“
„Was los ist? Was los ist?“, schrie sie, wobei ihre Stimme immer schriller wurde. Sie entriss Alexandros ihre Hand und blieb zitternd vor ihm stehen. „Was glaubst du denn? Das hier ist nicht echt, alles ist eine Farce. Aber dort drinnen denken alle, wir lieben uns.“ Sie wich vor ihm zurück. „Ich kann das nicht. Ich kann es einfach nicht tun. Ich werde es ihnen sagen. Ich arbeite für Alexei und helfe ihm, einen
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