Die Rache
Kleiderbügel oder Wellblech, beladen mit Shrimps, Krebsen, Chorizo, Bergen von grünen Zwiebeln, Paprika, geheimnisvollen Fleischstücken. Auf die Tortilla damit, Soße drüber, wer fragt, wen kümmert’s. Ein fantastisches, überwältigendes Gewirr von verschiedenen Gerüchen, und Hardy, der an einem Shrimpburrito kaute, ging mitten hindurch, mischte sich hinein, nahm es in sich auf.
Das Stadion selbst war gerammelt voll. Die erste große Enttäuschung war, daß es keinen einzigen Wettschalter gab. Hardy verfluchte sich selbst, weil er sich nicht besser informiert hatte. Er hatte einfach angenommen …
Aber das ließ sich jetzt nicht mehr ändern. Beim Jai Alai lief es mit den Wetten anders: Für jeden Block gab es zwei Läufer – die Buchmacher, einen mit einer roten, einen mit einer grünen Mütze. Wie die Erdnußverkäufer in den Staaten rannten sie zwischen den Blöcken hoch und runter, riefen die ständig wechselnden Wettquoten aus und warfen den Wettwilligen eine Art Ball zu. Die Wetter steckten ihren Einsatz in einen Schlitz in diesem Ball und zogen einen Wettschein heraus.
Hardys ursprüngliche Idee, bei den Wettschaltern zu warten, bis Rusty auftauchte, war also überholt. Er sah sich im Stadion um. Durch alle Blöcke hüpften und tanzten die Roten und grünen Hüte. Einem von ihnen zu folgen wäre verdammt anstrengend. Er sah sich zwei Spiele an und hoffte – wider besseres Wissen –, daß das Glück helfen würde, wo die Intelligenz versagt hatte, und Rusty sich aus der Menge lösen und einfach in ihn hineinlaufen würde.
Das Spiel gefiel ihm. Mann gegen Mann. Handball ohne Regeln. Ein Haufen Gladiatoren in einem Spiel auf Leben und Tod.
Oben beim Büro der Stadionverwaltung kam ihm die Idee, Rusty ausrufen zu lassen. Eine idiotische Idee. Wenn Rusty hier war und seinen Namen hörte, würde er wissen, daß jemand ihn für keineswegs tot hielt. Er würde sich aus dem Staub machen, und alles wäre vorbei.
Nach zwei weiteren Stunden, fünf Flaschen Orangensprudel und fünfunddreißig Dollar, die er in den letzten Spielen gesetzt hatte, leerte sich das Stadion allmählich. Hardy stand bei einem der insgesamt elf oder zwölf Eingangstore. Eine Menge Leute gingen an ihm vorbei. Zwei ähnelten Moses McGuire. Keiner sah aus wie Rusty Ingraham.
Gut. Als nächstes würde er sich die berühmten Klippenspringer von Acapulco anschauen.
Das hatte er getan. Und nun?
Er fand sich auf der Esplanade wieder. Obwohl am Horizont noch ein dünner, korallenroter Streifen Himmel sichtbar war, leuchteten schon Millionen von Sternen. Gutgekleidete Amerikaner – meistens Paare, jedenfalls sahen sie für Hardy wie Paare aus – setzten sich mit Aperitifs draußen an die Tische. Der Wind hatte sich gedreht, blies jetzt von der Stadt her in Richtung Meer. Die Nacht roch schwach nach Öl und Urin.
Hardy saß am Strand, mit dem Rücken zu den Lichtern, lauschte dem Plätschern des Wassers, das auf dem Sand auslief. Hinter ihm spielten Gitarren, sangen von weither sanfte Männerstimmen.
Auch in Las Vegas, Nevada, gab es Jai Alai . In Tijuana, fünfzehnhundert Kilometer näher an San Francisco, aber noch jenseits der Grenze, war ein Stadion. In Puerto Vallarta vielleicht. Oaxaca? Ixtapa? In wie vielen Städten noch?
Falls Rusty in Acapulco war und regelmäßig zum Jai Alai ging, müßte Hardy an jedem Eingang mindestens eine Person plazieren, um eine Chance zu haben, ihn zu erwischen. Falls Rusty hier war … Langsam kamen ihm Zweifel.
Die Möglichkeit, ein Dutzend Leute anzuheuern, hatte Hardy natürlich nicht. Er hatte weder genug Geld noch entsprechende Kontakte. Vielleicht konnte Abe die örtliche Polizei informieren, ein Foto von Rusty heruntersenden …?
Richtig, Diz. Hoffe darauf.
Er legte sich im Sand zurück, kreuzte die Hände unter dem Kopf und starrte hinauf zum Mann im Mond.
Das El Sol lag ein gutes Stück vom Strand entfernt. Die Eingangstüren zu den Zimmern der beiden Flügel des Erdgeschosses gingen zur Straße hinaus, hinten führten gläserne Schiebetüren auf eine rotgeflieste Terrasse mit Blick auf den Pool. Das schmiedeeiserne Geländer der Außentreppe zum zweiten Stock war mit Bougainvilleas bewachsen. Im Innenhof standen Palmen und Bananenbäume, durch ihre Lage vor dem Wüten des Hurricanes geschützt.
Hardy saß mit einer Flasche Brandy – El Presidente – auf seiner Terrasse und rauchte, was selten vorkam, eine Zigarre. Er trank nicht wirklich – vor etwa vierzig Minuten hatte
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