Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Radleys

Titel: Die Radleys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Haig
Vom Netzwerk:
drin.«
    Rowan blättert die abgegriffenen Seiten mit den Eselsohren durch. Echte Worte auf echtem Papier, die alles wirklicher erscheinen lassen. Er liest ein paar Sätze.
    »Wir müssen lernen, dass wir uns mit den Dingen, nach denen wir verlangen, oft auch selbst zerstören. Wir müssen lernen, unsere Träume aufzugeben, um unsere Realität zu bewahren.«
    Das hier lag all die Jahre verborgen in diesem Haus. Was gab es da noch alles?
    Peter seufzt. »Wir sind also Abstinenzler. Wir töten und konvertieren niemanden mehr. Für die Außenwelt sind wir bloß durchschnittliche menschliche Wesen.«
    Konvertieren? Das hörte sich wie eine Religion an. Etwas, was einem ein- oder ausgeredet wird.
    Rowan hat plötzlich noch eine Frage. »Du wurdest also zum Vampir konvertiert?«
    Er ist enttäuscht, als er sieht, dass sein Vater den Kopf schüttelt. »Nein, ich bin immer schon so gewesen. Die Radleys sind seit Generationen so. Seit Jahrhunderten. Radley ist ein Vampirname. Es bedeutet ›von der roten Wiese‹ oder so ähnlich. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass mit ›rot‹ nicht der Klatschmohn gemeint ist. Aber deine Mum …«
    »Ist konvertiert worden?«
    Sein Vater nickt. Rowan sieht, dass ihn etwas traurig macht. »Sie wollte so werden, immer schon«, sagt er. »Es istnicht gegen ihren Willen passiert. Aber inzwischen glaube ich, dass sie es mir nicht verzeihen kann.«
    Rowan legt sich auf sein Bett zurück und sagt nichts, während er auf die Flasche mit dem nutzlosen Erkältungstrunk starrt, den er seit Jahren jeden Abend zu sich genommen hat. Schweigend bleibt sein Vater noch eine Weile neben ihm sitzen, wartet und lauscht auf das leise Zischen in den Heizungsrohren.
    Freak, denkt Rowan, Minuten später, als er in dem Handbuch liest, das ihm sein Vater gegeben hat. Toby hat re cht. Ich bin ein Freak. Ich bin ein Freak. Ich bin ein Freak.
    Und dann denkt er an seine Mutter. Sie wollte tatsächlich ein Vampir werden. Für ihn ergab das keinen Sinn. Freiwillig zum Monster werden.
    Dann steht Peter auf, und Rowan sieht, dass ihm etwas im Spiegel auffällt. Er leckt seinen Daumen an und wischt sich das restliche Blut von der Backe, mit einem gequälten Lächeln auf dem Gesicht.
    »Also gut, wir reden morgen weiter. Wir müssen es einfach versuchen und stark sein und die Sache durchstehen. Für Clara. Wir dürfen nach außen nicht verdächtig wirken.«
    Genauso haben wir immer gewirkt, denkt Rowan, als sein Vater die Tür hinter sich schließt.

[Menü]
    EIN BISSCHEN WIE CHRISTIAN BALE
    Toby Felt sitzt auf seinem Fahrrad und kippt den letzten Rest Wodka in sich hinein.
    Ein Müllmann!
    Peinlich. Sollte Toby jemals Müllmann werden müssen, würde er sich umbringen, sich hinten in den Container des grünen Lkws schmeißen und darauf warten, dass er mit all dem anderen Müll und Abfall zerquetscht wird.
    Aber eigentlich weiß er, dass er niemals so enden wird. Denn eigentlich teilt sich das Leben in zwei Kategorien. Es gibt die Starken, wie Christian Bale und ihn, und es gibt die Schwachen, wie Eves Vater und Rowan Radley. Und die Starken sind dazu da, um die Schwachen zu bestrafen. So bleibt man oben. Wenn man die Schwachen einfach in Ruhe lässt, wird man letzten Endes selbst schwach. Als würde man bei Resident Evil 7 im futuristischen Bangkok einfach stehen bleiben und darauf warten, dass einen die Zombies bei lebendigem Leibe fressen. Man muss töten, um nicht getötet zu werden.
    Als er noch jünger war, hat er sich immer ausgemalt, wie Bishopthorpe von irgendwem eingenommen wird. Nicht notwendigerweise von Zombies, aber von irgendwem.
    Zeitreisenden Nazis.
    Aliens auf der Flucht.
    Egal von wem.
    Und ganz gleich wie, aber in dieser X-Box-Realität warenalle zerplatzt, am Ende auch sein Dad, der allerdings immer dazugehört hatte, der letzte aufrechte Mann, der allen anderen den Garaus machte. Wie Batman. Oder ein Terminator. Oder wie Christian Bale. (Er sah Christian Bale sogar ein bisschen ähnlich, sagten die Leute. Seine Mutter jedenfalls. Seine richtige Mutter. Nicht diese blöde Tussi, mit der er jetzt zusammenleben muss.) Knallt alle ab, fackelt sie ab, erledigt sie im Nahkampf, schlägt mit seinem Tennisschläger Granaten ab, alles, was gerade gebraucht wird. Und er weiß, dass er zu den Starken gehört, weil er Mädchen wie Eve kriegt, während ein Freak wie Rowan Radley zu Hause sitzt und Gedichte liest.
    Er nähert sich dem Ortsschild. Er hält die Flasche weit von sich, holt mit ihr wie beim Aufschlag

Weitere Kostenlose Bücher