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Die Radleys

Titel: Die Radleys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Haig
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Mir haben ihre Ölgemälde früher besser gefallen. Die Nackten. Von denen war sie wirklich besessen.«
    »Sieh mal, die Sache ist die …«, sagt Peter, dem es schwerfällt, zu sagen, was Helen ihm aufgetragen hat.
    Will, sein Bruder, den er seit fast zwanzig Jahren nicht mehr gesehen hat, wurde hierher eingelade n. Und Vampire auszuladen, vor allem Blutsverwandte, ist nie ganz einfach.
    »Pete, ich find’s großartig, aber können wir das mit dem Nacharbeiten auf später verschieben?«
    »Was?«
    Ein dramatisches Gähnen von Will. »War ein harter Tag«, sagt er. »Und schon längst Schlafenszeit. Mach dir aber keine Umstände. Lass die Luftmatratze im Schrank. Ich mach manchmal Löcher in die Dinger, wenn mich der falsche Traum heimsucht. Passiert mir in letzter Zeit öfter.« Will setzt seine Sonnenbrille auf und küsst seinen Bruder noch einmal auf die Wange. »Du hast mir gefehlt, Bruderherz.«
    Und er verlässt das Haus.
    »Aber …«, sagt Peter, obwohl er weiß, dass es zu spät ist.
    Die Tür schließt sich.
    Peter erinnert sich, wie es früher war. Immer war ihm sein Bruder einen Schritt voraus. Er starrt die unscharfe grüne Wolke an, mit den kleinen roten Punkten, die die Äpfel darstellen.
    »Was hat er gesagt?« Helens Stimme reißt ihn aus seiner dumpfen Täumerei.
    Sie ist angespannt und erwartungsvoll.
    »Er hat nicht zugehört. Es ist einfach gegangen.«
    Helen scheint sich über diese Information eher aufzuregen als zu ärgern. »Ach Peter, er muss einfach weg.«
    Er nickt, wobei er sich fragt, wie er das anstellen soll und warum diese Aufgabe für Helen die wichtigste ist. Wichtiger noch als ein vermisster Junge und tratschende Dorfbewohner und die Polizei.
    Sie ist da, kaum mehr als einen Meter von ihm entfernt, und könnte doch ebenso gut ein Fleck am Horizont sein. Er will ihr beruhigend die Hand auf die Schulter legen, aber bevor er sie berühren kann, hat sie sich abgewandt und ist Richtung Küche verschwunden, um die Spülmaschine einzuräumen.

[Menü]
    DAS TANTRISCHE DIAGRAMM EINES RECHTEN FUSSES
    Im Nachbarhaus der Radleys, Orchard Lane Nummer neunzehn, ist alles still.
    Lorna Felt liegt im Bett neben ihrem Ehemann, leicht verkatert, aber entspannt, und denkt darüber nach, warum Peter nach ihrer zarten Annäherung unter dem Tisch so ein ängstliches Gesicht gemacht hat. Quer durch den Raum starrt sie auf das Bild an der Wand. Das tantrische Diagramm eines rechten Fußes – ein Druck eines klassischen Hindu-Yantras aus dem achtzehnten Jahrhundert, das sie vor etwa einem Jahr bei eBay ersteigert hat, auf dem sämtliche Muskelstränge und Energiepunkte des Fußes zu sehen sind.
    Mark hatte natürlich nicht gewollt, dass sie es aufhängt. Genauso wenig, wie er wollte, dass ihre Kunden in seinem Wohnzimmer die Socken ausziehen. Trotzdem kuschelt sie sich jetzt an ihn, als er aus dem Schlaf erwacht.
    »Guten Morgen«, flüstert sie ihm ins Ohr.
    »O ja, Morgen«, antwortet er.
    Unbeirrt gleitet ihre Hand unter sein T-Shirt und streicht ihm mit federleichter Berührung über die Haut. Sie lässt ihre Finger tiefer gleiten, knöpft seine Boxershorts auf und streichelt seinen schlaffen Penis so sanft, als wäre er eine Spielzeugmaus. Und dieses sanfte und zärtliche Streicheln funktioniert insofern, als dass es ihn erregt und er sie küsst und sie sich schnell dem Geschlechtsakt nähern. Aber dieserGeschlechtsakt ist für Lorna enttäuschend, wie so oft – eine kurze, zielstrebige Reise von A nach B, obwohl sie absolut nichts dagegen hätte, im Alphabet ein gutes Stück weiterzukommen.
    Aus irgendeinem Grund hat Mark, als er die Augen schließt und sich in ihr erleichtert, das Sofa seiner Eltern plastisch vor Augen. Die hatten es am Tag von Charles’ und Dianas Hochzeit auf Raten gekauft, im Zuge der Feierlichkeiten. Es sieht genauso aus wie in seinem ersten Jahr. Mit dem Plastiküberzug darüber, für den Fall, dass jemand es sich zu gemütlich machen und das Teil dabei beschmutzen könnte. (»Du musst lernen, die Dinge zu respektieren, Mark. Weißt du, wie viel so was kostet?«)
    Sie liegen da und hängen ihren eigenen, unzusammenhängenden Gedanken nach. Lorna merkt, dass sie wieder ein bisschen eindöst.
    »Wäre das schön, wenn wir den ganzen Tag im Bett bleiben könnten«, sagt Mark nach einer Verschnaufpause, was er aber gar nicht so meint. Er ist zum letzten Mal im Bett geblieben, als er achtzehn war.
    »Ein bisschen mehr Zeit miteinander könnten wir uns schon gönnen, findest du

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