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Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Die Räder der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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und der einzige Überlebende war ein Angus Threadgill al-Wazir. Er hatte al-Wazir in Begleitung des wahnsinnigen und wahnsinnig machenden Dr. Lothar Ottweill zur Mauer zurückgeschickt. Es waren zwar nur wenige Monate vergangen, seitdem sich ihre Expedition auf den Weg gemacht hatte, aber die Pessimisten in der Admiralität und der Regierung hatten sie bereits abgeschrieben.
    »Meine Aufgabe ist es«, flüsterte Kitchens in Richtung der fernen, ihn gleichgültig betrachtenden Mauer, »Optimist zu sein.«
    »Sieht anders aus, wenn man sie erst mal gesehen hat, nicht wahr?«
    Kitchens zuckte zusammen. Er war nicht im Geringsten daran gewöhnt, überrascht zu werden.
    Sayeed stand direkt hinter Kitchens’ Schulter. In seinem Lächeln lag etwas von einem hungrigen Raubtier.
    »Ja, Kapitän, sie hat durchaus eine … Ausstrahlung, möchte man fast sagen.«
    »Wenn wir uns ihr nähern, werden Sie feststellen, wie sich diese Ausstrahlung einer Faust gleich um Ihr Herz krallt.« Sayeed trat an die Reling, direkt neben Kitchens. »Die Admiralität setzt mich und mein Schiff ein, weil unser Ruf ohne Hoffnung auf Wiedergutmachung ruiniert ist. Kein Kapitän würde jetzt noch mit der Notus fahren. Sie steht unter einem so schlechten Stern, dass nur die wenigsten sie noch befehligen würden.«
    Kitchens verkniff sich ein Lächeln. »Der Aberglaube von Truppenoffizieren geht mich nichts an.«
    »Geht Sie der Aberglaube von Sonderbeauftragten etwas an? Sie scheinen ja praktisch an Ihre Unterlagen zu glauben.«
    Einen kurzen, panischen Moment lang glaubte Kitchens, dass Sayeed von der Notiz der Queen erfahren haben musste, die er in seiner Kajüte unter Deck zurückgelassen hatte. Hatte der Kapitän herumgeschnüffelt? Dann wurde ihm klar, dass Sayeed sich nicht auf etwas so Konkretes, Persönliches und Geheimes beziehen konnte.
    »Wir glauben nicht an unsere Unterlagen«, sagte Kitchens. »Diese Dokumente sind lediglich der Lebenssaft, der von einem lebenswichtigen Organ zum nächsten fließt. Alles andere, was dem Interesse der Krone dient – finanzielle Mittel, Anweisungen, Berichte –, wird durch das Medium der Unterlagen weitergereicht.«
    »Ja, ja, ich weiß. Jeder Krieg, der jemals geführt worden ist, wurde schon auf dem Papier gewonnen, bevor die letzte Trompete über dem leeren, blutgetränkten Schlachtfeld erschallte.« Sayeed stieß Kitchens tatsächlich einen Finger in die Seite. »Man kann die Unterlagen hinter sich lassen, auch wenn der Preis hoch ist. Man kann sich aber vor einem erhobenen Schwert nicht auf gleiche Weise in Sicherheit bringen. Manchmal muss sich ein Mann dem Kampf stellen.«
    »Rufen Sie hiermit offiziell zur Meuterei auf?«
    »Nicht im Entferntesten.« Sayeed passte seine Stimme Kitchens’ ruhigem Tonfall an. »Ich habe meinen Eid vor sechsundzwanzig Jahren geleistet. Meine Loyalität gilt der Krone bis zu dem Augenblick, an dem Sie mich hängen lassen.«
    Was nachweislich nicht stimmte. Kitchens wusste, dass der Mann dieses zerstörerische, weibliche Genie seinen geheimen Herren in Straßburg überbracht hatte, anstatt sie nach London zu begleiten, wie es seine Pflicht von ihm verlangt hätte.
    Sayeed sprach weiter: »Wer in der Admiralität weiß, dass Sie an Bord der Notus sind? Wer von denen versteht, warum Sie hier sind? Sie werden genauso wie ich, meine Besatzung und dieses arme Luftschiff missbraucht.« Er tätschelte die Reling wie einen braven Hund. »Es sind Dokumente aufgesetzt worden, die sowohl Ihr Leben als auch das meine kosten können. Sie benutzen uns als Wetteinsatz bei einem letzten, verzweifelten Würfelwurf, um zu sehen, ob sie damit noch etwas erreichen können.«
    Diese Überlegungen waren Kitchens auch schon in den Sinn gekommen, doch es gab ein Argument, das sie mehr als wieder wettmachte, und das war das persönliche Interesse der Queen. Das würde er Sayeed natürlich niemals sagen; sie hatte ihn in ihr königliches Zuhause einbestellt und sicher auch dafür gesorgt, dass er diesen Weg hier einschlug.
    »Da wir so offen und ehrlich miteinander umgehen«, sagte Kitchens, »warum haben Sie das Mädchen nach Straßburg gebracht? Es erscheint mir unvorstellbar, dass Ihnen nicht klar gewesen ist, wie abträglich dies Ihrem Dienst in der Royal Navy sein würde. Sie behaupten, der Queen treu zu sein, bis sich die Schlinge um Ihren Hals legt, aber Sie haben mit genau dieser Handlung Ihren Eid gebrochen.«
    »Wie kommen Sie auf die Idee, dass, im Namen des Schweigsamen Ordens

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