Die Raffkes
sie irgendwann einmal beschließen sollten, in den Ruhestand zu gehen.« Sie lächelte mädchenhaft. »Ich muss es wissen, Herr Mann. Ich bin jedes Mal mit zwei Prozent dabei.« Und dann brach sich ungehemmt die Bewunderung für die eigene Person Bahn. Sie schlug sich sogar auf das linke Knie, weil das rechte immer noch von dem Bärchen besetzt war, und lachte ein dreckiges Lachen.
»Das nenne ich clever«, beglückwünschte Mann sie. »Aber ehrlich gestanden, habe ich nur begriffen, dass Ihr Mann etwas zurücklegt, für den Ruhestand des Herrn Dr. Sittko. Aber mehr muss ich ja auch nicht verstehen. Die Hochfinanz ist nichts für mich.«
»Aber, aber«, prustete sie. »Sie werden doch eines Tages unermesslich viele Wohnungen in Berlin besitzen.« Sie hob den Zeigefinger und wurde schelmisch. »Sie werden es schon noch lernen. Glauben Sie mir, es kann sogar Spaß machen.« Sie schlug sich mit der Hand vor den Mund. »Du lieber Himmel, ich habe Ihnen noch gar nichts zu trinken angeboten. Ein Kognäkchen, Herr Mann, ein ganz kleines?«
»O nein, danke, ich muss noch fahren. Ein reizendes Haus haben Sie hier.«
»Alles nur für die Kinder«, versicherte sie. »Alles für meine beiden Prinzessinnen.«
»Ich danke Ihnen sehr«, rang Mann sich ab und stand auf. »Ich mach mich dann mal wieder auf den Weg.«
Sie begleitete ihn vor das Haus. Er winkte ihr zu, bevor er abfuhr, und war froh, dieses wunderbare Teddyheim verlassen zu haben.
Eine unglaubliche Frau! Was würde sie wohl tun, wenn die beiden Prinzessinnen ihr eines Tages sagen würden, dass sie überflüssig sei. In eine Depression abrutschen? Nach Mallorca in ein Seniorenstift auswandern? Wahrscheinlich beides nicht. Wahrscheinlich würde sie versuchen ihre Prinzessinnen zu erpressen. Sie hatte mit Erpressungen schon beachtliche Erfolge erzielt.
Ungefähr in Höhe von Magdeburg erwischte ihn Blums Anruf. »Ich brauche die Nummer deiner Tante!«, verlangte Blum grob.
»Meiner Tante?«, fragte Mann verblüfft.
»Marion Westernhage ist doch da, sagtest du. Die Nummer bitte!«
Er nannte sie und fragte schnell: »Was ist denn?«
»Ihre Wohnung ist in die Luft geflogen. Wo bist du?«
»Auf der Autobahn. Bei Magdeburg.«
»Blockiere die Nummer deiner Tante jetzt nicht. Komm schnell her.«
Mann fuhr den nächsten Parkplatz an, seine Hände hinterließen nasse Spuren auf dem Lenkrad. Er fühlte sich vollkommen hilflos und war seiner Fantasie ausgeliefert. War Marion in ihre Wohnung gegangen? Hatten sie dort auf Marion gewartet? Er hielt es nicht länger als zehn Minuten aus, dann rief er bei Tante Ichen an.
»Ist bei euch alles in Ordnung?«
»Ach, Junge«, sagte John erleichtert. »Wo bist du?«
»Auf dem Weg nach Hause. Was ist passiert?«
John räusperte sich. »Passiert ist hier nichts. Aber Unbekannte sind in die Wohnung von Frau Westernhage eingedrungen. Die Putzfrau war gerade da und jetzt ist sie tot.«
»Marion!«, drängte Mann. »Was ist mit ihr?«
»Nichts, es geht ihr gut. Sie ist hier. Ein Mann namens Blum hat eben hier angerufen und gesagt, sie soll sich nicht von der Stelle rühren. Kommst du her?«
»Nein. Ich fahre erst in die Stralauer Straße. Ich melde mich.«
Er fühlte unsägliche Erleichterung und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Seine Hände zitterten so, dass er den Öffnungshebel der Wagentür nicht sofort fand.
Nachdem er dreimal um sein Auto herumgelaufen war, fühlte er sich etwas besser und ließ den Motor wieder an. Um sich abzulenken, schaltete er das Radio ein. Der Moderator verkündete: »Die Hits von heute sind auch immer die Hits von morgen. Und jetzt Leute, wollen wir uns auf die Nacht vorbereiten …« Mann machte das Radio wieder aus und legte die CD Live at Marians von Christian Willisohn ein. Er schlug den Takt zum Piano und seine Seele hellte sich wieder etwas auf.
In der Stralauer Straße standen noch viele Einsatzfahrzeuge der Polizei, der Feuerwehr und der Rettungsdienste. Aber die Blaulichter kreisten nicht mehr und die Medien waren nur mäßig vertreten.
Er zeigte seinen Dienstausweis, um durchgelassen zu werden. Das Schloss an der Haustür war herausgebrochen.
Auf der Treppe hockte Blum mit dem zwergenhaften Sprengstoffspezialisten, an dessen Namen Mann sich nicht mehr erinnern konnte.
»Schau es dir nur an«, nickte Blum. »Diesmal haben sie solide amerikanische Eierhandgranaten benutzt. Schöne Scheiße ist das.«
Mann ging vorsichtig in die Wohnung.
Einer der Kriminaltechniker sagte heiter: »Sieh da, man trifft
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