Die Rasse der Flügelmenschen
der Geburt zu bringen. Aber es würde bedeuten, daß wir unsere Städte, unsere Felder, unsere Wälder, ja alles, was wir hier besitzen, aufgeben, alles, wofür sich unsere Ahnen jahrhundertelang abgemüht haben. Und wenn wir das tun würden, dann würden unsere Nachkommen nach kurzer Zeit Wilde in einem fieberheißen Dschungel werden, und alles wäre vergessen, was einmal Lannach groß machte. Ich selbst ziehe den Tod in der Schlacht diesem Schicksal vor.«
Er schnaufte tief und stieß dann hervor: »Aber Kilnu ist wenigstens im Süden. Im Norden von Achan aber liegt jetzt noch das Eis.«.
»Ganz richtig«, sagte van Rijn.
»Wollen Sie denn, daß wir auf den Gletschern von Dwarnach verhungern und erfrieren? Wir können nicht südlicher als Dwarnach landen, denn in Holmenach würden uns die Späher der Flotte überall entdecken. Wenn Sie also nicht den letzten Kampf im Archipel kämpfen wollen …«
»Nein«, sagte van Rijn. »Wir sollten uns nach Dwarnach schleichen. Wir können uns Nahrung und Brennmaterial für etwa einen Zehntag mitnehmen und die Waffen auch.«
»Nun, das ginge schon. Aber schlagen Sie denn allen Ernstes vor, daß wir die Flotte selbst, die Flöße, aus dem Norden angreifen? Wir kämen aus einer unerwarteten Richtung, aber es wäre genauso hoffnungslos.«
»Den Überraschungsfaktor werden wir für meinen Plan brauchen«, sagte van Rijn. »Ja. Wir dürfen aber der Armee nichts sagen. Einer von ihnen könnte in irgendeinem Gefecht gefangengenommen werden, und die Drak’ho könnten ihn zwingen, alles zu verraten. Am besten ist es, wenn ich es nicht einmal Ihnen sage.«
»Genug«, sagte Trolwen. »Erklären Sie Ihren Plan.« Und viel später …
»Das geht nie und nimmer. Oh, technisch ist es vielleicht möglich, aber praktisch ist es unmöglich.«
»Politik!« stöhnte van Rijn. »Was ist nun wieder los?«
»Die Soldaten und die Frauen, ja sogar die Jungen – denn schließlich würde ja unsere ganze Nation nach Dwarnach gehen – müßten erfahren, warum wir das machen. Und doch würde der ganze Plan, wie Sie selbst zugeben, scheitern, wenn auch nur ein einziger in Feindeshand fällt und unter der Folter ausplaudert, was er weiß.«
»Aber er braucht es doch nicht zu wissen«, sagte van Rijn. »Alles, was wir sagen müssen, ist, daß wir uns einige Zeit mit dem Sammeln von Nahrungsmitteln und Brennmaterial befassen, das wir mit auf die Reise nehmen wollen. Und wenn wir dann zusammenpacken und irgendwo anders hinfliegen, dann brauchen wir ihm doch nicht zu sagen, warum wir das tun und wohin die Reise geht.«
»Wir sind keine Drak’honai«, sagte Trolwen ärgerlich. »Wir sind ein freies Volk. Ich habe nicht das Recht, eine so wichtige Entscheidung zu treffen, ohne daß darüber eine Abstimmung stattfindet.«
»Hm … vielleicht könnten Sie zu ihnen reden?« Van Rijn wandte sich an Tolk. »Halten Sie eine Rede. Überzeugen Sie sie davon, daß sie diesmal auf ihr Recht verzichten müssen, zu wissen, was vorgeht und an jeder Entscheidung teilzuhaben. Bringen Sie sie so weit, daß sie Ihnen ohne Fragen folgen.«
»Nein«, sagte Tolk. »Ich bin Spezialist in der Kunst der Überredung, Erd’ho, aber ich kenne die Grenzen dieser Kunst. Jetzt haben wir es nicht mit einer Herde zu tun, sondern mit einem Mob, einer Masse, die friert, hungert, und die keine Hoffnung und kein Vertrauen mehr zu ihren Führern hat, die bereit ist, alles aufzugeben – oder sich blind in die Schlacht zu stürzen. Sie haben nicht mehr die Moral, um sich in ein unbekanntes Unternehmen einzulassen.«
»Moral kann man machen«, sagte van Rijn. »Ich will es versuchen.«
»Sie?«
»Ich bin gar kein so schlechter Redner, wenn einmal Not am Mann ist. Lassen Sie mich zu den Leuten reden.«
»Sie …« Tolk starrte ihn an. Und dann lachte er laut. »Lassen Sie ihn, Herdenhäuptling. Wir wollen hören, was dieser Erd’ho für Worte findet, die so viel besser sind als die unseren.«
Eine Stunde später saß Trolwen auf einer Anhöhe und blickte auf seine Leute hinunter, die wie ein riesiger Schatten unter ihm lagen. Und van Rijns Baß toste wie grollender Donner durch den Nebel:
»… und ich sage nur, überlegt euch, was ihr hier habt und was euch die Drak’honai nehmen wollen:
Diesen heiligen Thron der Könige, diesen Sitz der Götter.
Dieses neue Eden, dieses Paradies.
Dies Schloß, das die Natur sich selbst erbaut, zu schützen vor des Krieges Wut das Volk, das sich ihr anvertraut.«
»Ich verstehe diese
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