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Die Rastlosen (German Edition)

Die Rastlosen (German Edition)

Titel: Die Rastlosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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scheint mir noch gar nicht aufgefallen zu sein? Tatsächlich?«
    »Ich hätte Lust, am Sonntag eine Grillparty zu machen. Möchten Sie kommen?«
    »Ob ich zu Ihrer Grillparty kommen möchte?«
    »Ja, ganz genau.«
    »Sonntag? Diesen Sonntag?«
    Als er Marianne davon erzählte, brach sie plötzlich ihr Schweigen und wollte wissen, was an den Gerüchten über ihn und diese Frau dran war.
    »Hör nicht auf das, was die Leute sagen«, erklärte er ihr. »Ich habe nichts weiter als einen Kaffee mit ihr getrunken. Das war’s. Dafür werde ich nicht in der Hölle schmoren. Hör endlich auf.«
    »Du machst es dir ein bisschen einfach, oder?«
    »Es geht nicht darum, ob ich es mir einfach mache oder nicht. Es geht darum, eine unnötige Auseinandersetzung zu vermeiden.«
    »Eine Auseinandersetzung? Was für eine Auseinandersetzung? Du und deine Nutte könnt von mir aus elend verrecken.«
    Bei diesen Worten brach sie in schallendes Gelächter aus. Er hielt ihr ein Glas Wein hin und wandte sich dem Sonnenuntergang zu, der den Horizont orangefarben einpuderte. Die Klatschgeschichten kursierten schnell, verbreiteten sich fast in Echtzeit. Ihr Ausflug in die Toiletten der Mehrzweckhalle und das gehaltvolle Frühstück danach – sie hatten sich einen Korb voller frischer Croissants unter den Nagel gerissen, während sie auf die bestellten Eier und die Waffeln warteten – lagen nur einen Tag zurück, aber das Gerücht, dass auf dem Campus ein Dozent für Angewandte Literaturwissenschaft mit der Frau eines Afghanistansoldaten verkehrte, war schon in aller Munde.
    Er wusste aus eigener Erfahrung, wie Marianne sich fühlte, denn oft genug hatte er diese Verlustängste selbst erlebt, diese grässliche Angst, verlassen zu werden, ohne jegliche Unterstützung dazustehen – aber er war der Junge, sie war älter, aber er war der Junge, deshalb musste er mit gutem Beispiel vorangehen, auch wenn er manchmal etwas mehr abbekam, wenn es Ärger gab – und es hatte immer Ärger gegeben, solange ihre Mutter am Ruder gewesen war.
    Selbstverständlich wollte er den Verpflichtungen gegenüber seiner Schwester weiterhin nachkommen. Sein eigenes Wohlbefinden hing davon ab. Hatte er ihr seine früheren Abenteuer nicht weitestgehend erspart? Hatte er sich nicht als der Inbegriff der Diskretion erwiesen? Hatte er ihr auch nur einen ernsthaften Grund geliefert, sich in ihrer Position bedroht zu fühlen?
    Er setzte sich neben sie und massierte ihr die Füße. Er war ziemlich davon überzeugt, dass alles so weiterlaufen konnte, dass sie wie durch ein Wunder eine Art Gleichgewicht erreicht hatten – aber was für ein Gleichgewicht, was für ein grausiges Gleichgewicht. So labil und schwach, dass es einen schauderte. Nur wenige hätten damals darauf gewettet, dass die Geschwister sich eines Tages wieder berappeln würden. Wenn man bedachte, was sie durchgemacht hatten und wo sie heute standen, flößte das allen, die ihre Geschichte kannten, Respekt ein.
    Sollte man das alles aufgeben? Momente wie diesen hier? Führten sie nicht das Leben, das sie einander während ihrer schlimmsten Prüfungen versprochen hatten? Lebten sie nicht endlich in Frieden, satt und frei, mit allem, was sie sich immer gewünscht, wonach sie sich immer gesehnt hatten?
    »Alles in Ordnung«, sagte er.
    »Gar nichts ist in Ordnung. Red nicht so einen Unsinn, das ist extrem ärgerlich.«
    Er legte Mariannes Füße zurück und zündete sich eine Zigarette an. Im Jahr davor hatten sie in dieses unglaublich bequeme und großzügige Luxussofa investiert – irgendein armes Würstchen hatte wie verrückt höhere Gebote abgegeben, aber sie waren drangeblieben, hatten diesen Hurensohn gegen drei Uhr früh ausgestochen und waren Eigentümer dieses extravaganten Objekts geworden. Sie hatten ungefähr den zehnfachen Preis eines normalen Sofas bezahlt, aber sie bereuten es nicht im Geringsten, genauso wenig wie den Kauf ihrer Betten, die sie mit größter Sorgfalt ausgesucht hatten, nachdem sie auf beinahe sämtliche Onlineshops der Welt gegangen waren – er erinnerte sich noch, wie aufgeregt sie bei dem Gedanken gewesen waren, dass sie beide jeder ein Bett und die passenden Kissen, Laken und Decken besitzen würden. Er lehnte sich zurück. Dachte darüber nach, dass man lange auf dem Boden geschlafen haben musste, noch dazu direkt auf der Erde und über Jahre hinweg, um der Klasse dieses Sitzpolsters die Wertschätzung entgegenzubringen, die es verdiente.
    Er hatte sich eines Abends mit einer

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