Die Ratte des Warlords (German Edition)
unauffällig umzusehen. So nahm er Dinge wahr, die er in letzter Zeit nicht direkt ignoriert, die ihn aber auch nicht interessiert hatten.
Tatuki hatte die Miliz mittlerweile nach dem Vorbild der Ratcompany strukturiert. Das Aufgabengebiet war jedoch ein völlig anderes. Die Miliz nahm nicht mehr an militärischen Operationen teil, sondern war Geheimpolizei geworden.
I n einem Machtgebilde wie dem von Abudi musste die Exekutive manchmal die Informationsmöglichkeiten eines Geheimdienstes mit der Macht des Vollzuges verbinden können um die innere Sicherheit zu überwachen. Etwas damit zu tun haben wollte Kepler nicht. Dass Abudi das überhaupt haben wollte, gefiel ihm nicht, weil der General es weder früher noch jetzt nötig hatte.
Die Teams der Rattenbrigade schickte Abudi an die Grenzabschnitte in den Einsatz und unterstellte sie dem jeweiligen Kommandeur vor Ort. Der General wollte nicht auf die Schlagkraft der Einheit verzichten, aber Kepler besaß genügend Autorität, um die Bedürfnisse seiner Einheit durchzusetzen, und Abudi schien diese Macht möglichst gering halten zu wollen. Kepler gefiel diese Entwicklung gar nicht. Er fühlte sich wie eine Marionette in einem Machtspiel, das er nicht verstand, und das alles missfiel ihm, er wollte nicht Kommandeur einer großen Einheit sein, lieber wäre er einfacher Scharfschütze geblieben.
E r fühlte sich immer angespannter, je weiter die Veränderungen gingen. Aber letztendlich waren sie tragbar. Deswegen erledigte er weiterhin gewissenhaft seine Aufgaben und kümmerte sich um die Belange seiner Einheit.
Massa, Budi, Ngabe und Sahi galten inzwischen als Keplers persönliche Truppe. Mittlerweile verhielten sich die vier Männer und Kepler zögernd zwar, aber fast wie Freunde miteinander.
Kobi stand indessen fast völlig außerhalb der kleinen Gemeinschaft. Er verbrachte viel Zeit mit dem Studium des Korans und in Gesprächen mit Geistlichen und mit Tatuki. Auch hatte er in letzter Zeit dieselben radikalen Sprüche drauf, die man von islamischen Fundamentalisten hörte. Weil er der einzige Gläubige in der Einheit war, äußerte er sie nicht mehr laut, seit er gemerkt hatte, dass es Kepler und den anderen Männern überhaupt nicht gefiel.
Einmal fragte Kepler Kobi, ob er auch zu Tatuki wechseln wolle. Sein Einwe iser verneinte und beteuerte ungefragt, er sei nach wie vor in erster Linie ihm und den anderen vier verbunden. Aber er sah Kepler dabei nicht in die Augen.
Einen Tag nach diesem Gespräch schickte Abudi Kepler an die Front. Er sollte die nach Tatukis Abwerbung und den Verlusten übriggeblieben fünf Teams der Ratcompany inspizieren und unterstützen.
Zwei Monate später rief Abudi ihn ab, damit er Ersatz für die Verluste ausbildete. In dem Einsatz, in dem Kepler wieder selbst hatte kämpfen müssen und in dem Kobi verwundet wurde, waren sieben Männer gefallen.
65. Vier Wochen später hatte Kobi sich vollständig erholt und die Ausbildung war angelaufen.
An einem Freitag ging Kepler zum ersten Mal seit der Rückkehr in die Stadt, nach drei Monaten wollte er ein Bier haben. Er konnte keines kaufen. Der Besitzer eines Ladens klärte ihn auf, dass es Alkohol nur noch im Grand Hotel gab, nur für Ausländer, nicht zum mitnehmen und zu horrenden Preisen.
Antialkoholismus, unter der Flagge des Islams oder aus innerer Überzeugung, war schön und gut, aber eigentlich musste das jeder selbst entscheiden können.
Kepler fuhr am Samstag zu den Nuba, er wollte wenigstens Merisa haben. Seine Männer machten einen Ausflug mit dem Toyota, er nahm den alten Jeep.
Unterwegs dachte Kepler an die Mission. Er war schon lange nicht mehr bei den Nonnen gewesen. Er änderte die Fahrtrichtung, um zu ihnen zu fahren und ihnen etwas Geld zu geben. Jeder wollte Geld haben, aber diese fünf Frauen waren anders. Sie freuten sich über das Geld, weil es ihnen die Möglichkeit gab, anderen zu helfen. Die Nonnen waren eine Oase sauberer Luft in einer verrückt gewordenen Welt mit ihren schmutzigen Geschäften, die keinen Bestand hatten.
Kepler freute sich plötzlich sehr darauf, die Fra uen wiederzusehen, ihre Freude zu spüren, darüber, dass er ihnen half.
Vielleicht, dachte er, vielleicht war so etwas von Dauer und hatte Sinn.
Auf dem engen Weg, der zur Mission führte, fluchte Kepler zum vierzigsten Mal an diesem Tag über die ausgeleierte Lenkung des a lten Wagens. So etwas ging seiner deutschen Natur echt zuwider. Er schwor sich, die Karre irgendwann bald zu
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