Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
wir sollten nach Hause zurückkehren«, sagte sie verlegen zu ihren Freunden.
Aber es war zu spät, die Gewissheit hatte den Zweifel abgelöst. Das Volk von Leiland hatte heute zwar einen König verloren, aber dafür seine drei Prinzessinnen zurückerhalten. Und was für eine Prinzessin die jüngste war! Die Maske, das Mädchen-mit-den-blauen-Augen, Victoria, die, die ihnen Hoffnung schenkte und für sie kämpfte. Sie fielen nicht vor ihr nieder– so wollten sie ihr nicht ihren Respekt bezeugen. Was für eine Rolle spielten schon die Verbotenen Gesetze! Sie begannen, ihren Vornamen zu skandieren.
Eleas Wangen hatten sich ebenso gerötet wie ihre Augen. Die Nacht verbarg ihre Rührung kaum.
»Korta wird uns hören«, flüsterte sie der kleinen Maus zu, die auf ihrer Schulter saß.
»Das wird auch Zeit, nicht wahr?«, antwortete Joran. »Er muss wissen, dass er das Volk von Leiland nicht so leicht in die Knie zwingen wird. Die Nachricht, wer du wirklich bist, wird binnen weniger Tage die Runde durchs ganze Land machen. Das wird ihm nicht viel Zeit lassen, sich als Herr des Königreichs zu fühlen. Seine Macht wird kaum über die Königsburg und die Salzebene hinausreichen.«
»Wenn Eure Hoheit so gütig wäre, Ihren Hoheiten den Weg zu weisen, könnten wir jetzt schlafen gehen und Korta schön zappeln lassen«, verkündete Ceban fröhlich.
Unter herzlichem Jubel brachen die drei Prinzessinnen und ihre Freunde in den Verbotenen Wald auf. Die Dorfbewohner fanden in dieser Nacht keinen Schlaf, auch nicht in den folgenden: Sie waren zu beschäftigt damit, überall in der Großen Ebene die Neuigkeit zu verkünden.
Achter Teil
Einundzwanzig Tage später
Der junge Reisende sah heute Morgen gut aus. Frisch rasiert, gut gekämmt und ordentlich gekleidet fühlte er sich wie neu geboren. Er hatte die qualvollen Nächte vergessen, die hinter ihm lagen, die Angst, die ihm die Kehle drei Tage lang zusammengeschnürt hatte, das nutzlose Versteckspiel der letzten Wochen. Ein mehrfacher Austausch von Neuigkeiten hatte ihm zum Glück Hoffnung eingeflößt und war Balsam für seine Seele gewesen. Er hatte etwas wiedergutzumachen.
In seinen roten Umhang mit dem hohen Kragen eingehüllt ließ er sich die Meeresbrise übers Gesicht streichen. Er las zum zwanzigsten Mal die letzten Zeilen der Memoiren Enkils:
»Ich kannte den Zeitpunkt, den Ort. Alles Mögliche hätte mich davon abhalten können, rechtzeitig zu der Burg am See von Efedor zu gelangen – oder überhaupt dort anzukommen. Joranikar hatte die Gelegenheit, mich vor diesem letzten Tag zu töten, verstreichen lassen. Nun schien nichts mehr das Duell verhindern zu können. Ich glaube, dass er mich sogar mit einer Armee nicht mehr daran hätte hindern können, den Palast zu betreten. Am letzten Tag gewinnen Gut und Böse ihre Macht zurück. Keine der beiden Seiten hat die Oberhand, sie haben allenfalls einige Vorteile.
Wird mein Nachfolger dennoch mit leeren Händen dastehen, ohne Hilfe oder ohne Freunde auskommen müssen? Wird er darauf zählen können, dass die Feen ihm im letzten Moment eine neue Waffe schmieden, um sein jämmerliches, zerbrochenes Schwert zu ersetzen?
War mein Sieg genug, alle Schwächen auszulöschen, unter denen die Feen seit ihrer vorherigen Niederlage zu leiden hatten? Werden sie frei sein, wenn sie zwei Mal in Folge gewinnen? Werden sie die Macht haben, die Dauer ihrer Herrschaft auszudehnen, oder werden ihnen unwiderruflich immer nur vierhundert Jahre zugestanden, so dass alle Sorgen und Fragen auf die folgenden Gegner übergehen, ohne dass der Kreislauf je durchbrochen wird?
Wäre es möglich, dass eines Tages allein das Gute über die Welt des Ostens herrscht? Könnte es wirklich das Böse vernichten, das der menschlichen Natur innewohnt? Werden die Akaler und die Scylen sich eines Tages lieben können? In Pandema gibt es noch immer verderbte Menschen, ehrgeizige, eigensüchtige, böse. Und die Angst um die Zukunft zieht Furcht und Misstrauen nach sich.
Aus diesem Grunde glaube ich nicht, dass das Böse vernichtet werden kann – vielleicht kann es nur einschlafen. Das ist der Wunsch, den ich in diesen meinen Memoiren zum Ausdruck bringen wollte. Möge meine Erfahrung meinem Nachfolger helfen und möge sie ihm gestatten, für die Feen den Sieg zu erringen – ganz gleich, was ihn antreibt. Und möge er seinerseits sein Wissen an den nächsten weitergeben.
Dir gewidmet, Kämpe oder einfacher Leser.
Mögen die Feen dich
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