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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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das machte sie sich zunutze.
    Sie bastelte einen Reliquienbehälter nach dem Muster derjenigen, die sie in Kirchen und bei Pappas Mavros gesehen hatte, und legte die blonde Locke der schwangeren Frau hinein.
    Am nächsten Morgen wartete sie auf den Bauern vor der Küchentür und winkte ihn aufgeregt zu sich. Sie müsse ihm helfen, flüsterte sie ihm zu, die Panagia sei ihr in der Nacht erschienen und habe zu ihr von ihm gesprochen.
    Die Augen des Mannes weiteten sich und Vassiliki fuhr fort: Da er in diesem gottlosen unchristlichen Jannina der Einzige wäre, der ihr regelmäßig eine Kerze anzünde, wolle ihm die Mutter Gottes eine besondere Gnade zukommen lassen. Seine Felder würden von ihr gesegnet und seine Ernten die reichsten des Landes werden. Dafür habe er der Panagia nur den kleinen Dienst zu erweisen, in seinem Haus einen besonderen Schrein für sie einzurichten. Sie werde ihm dafür etwas schenken, das einst ihr gehört habe, sie werde auch Vassiliki, der Vermittlerin, ein Zeichen senden, damit sie den Auftrag nicht vergesse oder denke, sie habe diese Begegnung nur geträumt.
    Aufgeregt zeigte ihm Vassiliki die blonde Locke.
    »Stell dir vor, als ich aufwachte, habe ich dies unter meinem Kopf gefunden«, sagte sie und sah den Mann erwartungsvoll an.
    Ehrfürchtig beugte er sich über den kleinen Reliquienbehälter und küsste ihn.
    »Danke«, flüsterte er Vassiliki zu, »du bist eine Heilige!«
    »Den anderen Gegenstand will dir die Panagia in der nächsten Vollmondnacht zukommen lassen. Er wird sich eine Zeit lang in deinem Besitz befinden, bis die Panagia ihn sich zurückholt. Ihr Segen wird aber bei dir bleiben«, fuhr Vassiliki eilig fort und beschrieb ihm, dass er gegen Mitternacht mit seinem Wagen an einer bestimmten Stelle des Palasts halten und da warten solle, bis ihr, der Vermittlerin, der Gegenstand von der Panagia ausgehändigt würde.
    »Du musst nahe an die Palastmauer heranfahren«, trug sie ihm auf, »ich werde mit Kreide einen Strich an die Wand malen, wo die Panagia wünscht, dass du anhältst.«
    Sie zögerte einen Augenblick.
    »Da war noch was, aber den Grund habe ich nicht verstanden.«
    »Was?«
    »Du sollst deinen Wagen mit Stroh beladen …«
    »Den Grund verstehe ich!« Die Augen des Mannes leuchteten. »Hat die Panagia nicht ihren Sohn in der ersten Nacht auf Stroh betten müssen?«
    Vassiliki war unendlich dankbar, dass er ihr alles abnahm und keine unangenehmen Fragen stellte. Sollte die Aktion gelingen, schwor sie, würde sie der Panagia täglich eine Kerze anzünden.
    Die Kräuter, mit denen sich eine Schwangerschaft beenden ließ, hatte sie schnell gefunden. Sie würde Fleisch von ihrem Fleisch und Blut von ihrem Blut vernichten, um der Menschheit die Geburt eines möglichen künftigen Ungeheuers zu ersparen. Schwieriger war es schon, ein geeignetes Rauschmittel aufzutreiben. In diesem Palast lagen schließlich nicht wie im Harem des Sultans goldüberzogene Opiumpastillen herum. Aber in Jannina lebten immer noch viele Türken, mit denen sich Selim offensichtlich bestens verstand, und wo es Türken gab, gab es auch Opium.
    Am entsprechenden Abend war alles vorbereitet und kurz vor Mitternacht wurde sie von den Wachen in den herrschaftlichen Teil des Hauses gelassen. Die schwangere Frau wartete bereits auf sie.
    Alles lief nach Plan: Die Frau trank den mit Opium vermischten Kräutersud und fiel in einen unruhigen Halbschlaf. Vassiliki riss einen Vorhang vom Fenster, warf ihn in den Wagen und eilte dann zum grünen Kasten. Sie umwickelte die Zeusfigur mit Tüchern, schloss den Kasten, hob ihn auf und stellte ihn sofort wieder ab. Er war zu schwer! Nie würde sie ihn über die Fensterbank in den wenige Meter darunter stehenden Wagen werfen können! An alles hatte sie gedacht, nur nicht daran, dass die Kräfte einer Siebzigjährigen sich nicht mit denen einer starken Vierzigjährigen messen ließen. Ihr blieb nur eine Wahl. Sie rüttelte die schwangere Frau, bis diese die Augen öffnete und ihr einen glasigen Blick schenkte.
    »Schnell«, sagte Vassiliki, ohne weitere Erklärung, »Sie müssen mir helfen!«
    Die junge Frau ließ es sich gefallen, dass Vassiliki ihr auf die Beine half. Wie in Trance folgte sie der Dienerin zu dem grünen Kasten und folgte der Aufforderung eine Seite festzuhalten. Gemeinsam schleppten sie den Kasten zum offenen Fenster, schoben ihn über die Fensterbank und stießen ihn in den mit Stroh gefüllten Wagen. Noch nie hatte Vassiliki ein schöneres

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