Die rechte Hand Gottes
was können wir tun?«
»Könntest du dich nicht öffentlich von ihm lossagen? Ewas unternehmen, damit alle ein für alle Mal wissen, daß wir mit diesem alten Wirrkopf nichts zu tun haben?«
»Ihm ist doch die Meinung der anderen vollkommen gleichgültig, es gefällt ihm doch gerade, wenn sie schlecht über ihn sprechen ... Ich sage dir ja immer wieder, die einzige Möglichkeit ist, Bellerocaille zu verlassen und nach Paris zu gehen. Dort hätten wir unsere Ruhe. Da ist der Name Pibrac mit keinem Makel behaftet.«
»Niemals!«
Der rettende Einfall kam ihm schließlich, als er nicht mehr danach suchte. »Und wenn wir unseren Namen änderten? Ich meine, ganz offiziell. .. Das ist durchaus möglich, wenn man beweisen kann, daß man gute Gründe für einen solchen Schritt hat. Und wenn überhaupt jemand gute Gründe hat, dann sind es doch wohl wir.«
»Und wie sollten wir uns dann nennen?«
» Ich weiß nicht... wie du willst. Wir haben die Qual der Wahl. Aber du mußt doch zugeben, daß das der beste Weg wäre, um öffentlich Abstand von ihm zu nehmen.«
Sobald Léon wieder aufstehen konnte, begab er sich zum Rathaus, wo ihm ein Angestellter erklärte, daß man, wenn man den Familiennamen wechseln wollte, zuvor seine Absicht im Journal officiel, in der örtlichen Zeitung und in der Stadt, in der man lebte, kundtun müsse.
»Wenn das erledigt ist, müssen Sie ein Gesuch in doppelter Ausfertigung an den Justizminister richten, in dem Sie die Gründe darlegen, die eine Änderung Ihres Vaternamens rechtfertigen. Und vergessen Sie nicht, alle Dokumente beizufügen, die belegen, daß Ihr Gesuch wohlbegründet ist, und auch eine Ausgabe der Zeitungen, in denen die zuvor verlangten Veröffentlichungen erschienen sind.«
Léon befolgte seine Anweisungen genauestens und legte zu den Beweisstücken noch die Zeitungsausschnitte, in denen die Haltung seines Vaters während des Prozesses und der Hinrichtung der Fersenröster dargelegt wurden.
Der ablehnende Bescheid des Justizministeriums ärgerte ihn mehr, als daß er ihn entmutigte. Im Einvernehmen mit Hortense fuhr er mit dem Zug nach Albi, wo der Rechtsanwalt Nicolas Malzac wohnte, der als einer der Prozeßkundigsten im Südwesten bekannt war und sich als einziger rühmen konnte, noch nie einen Prozeß verloren zu haben. Ein Bedienter in Livree führte Léon in das luxuriöse Bürgerhaus des Anwalts, das in der Rue du Tendant, gegenüber vom Tarnufer lag. Ohne das kostspielige, ausgewählte Mobiliar auch nur eines Blickes zu würdigen, kam er sofort auf den Grund seines Besuches zu sprechen.
»Der Name meines Vaters ist eine zu schwere Last geworden. Ich ertrage ihn nicht mehr, ebensowenig meine Frau und auch meine drei Kinder. Ich wollte ihn also ablegen, doch die Verwaltung erachtet meine Gründe als nicht ausreichend und verweigert mir das Recht dazu.«
»Und wie ist bitte Ihr Name?«
» Ich bin ein Pibrac «, sagte Léon und sah verlegen auf seine Stiefelspitzen.
Der Anwalt sah ihn teilnahmsvoll an und nickte. »Ich verstehe. Und wie möchten Sie sich ab jetzt nennen?«
» Meine Frau und ich haben an Bouzouc gedacht. Das ist der Name meines verstorbenen Schwiegervaters.«
»Ich verstehe! Haben Sie denn das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt?«
Léon überreichte ihm das abgelehnte Dossier. Malzac überflog es kurz.
»Und was erwarten Sie von mir, Monsieur Pibrac?«
»Sorgen Sie dafür, daß das Justizministerium seine Entscheidung zurücknimmt. Machen Sie ihnen klar, daß es Tag für Tag eine Qual ist, wenn man im Rouergue Pibrac heißt. Das ist nicht anders, als würde man Ravaillac oder Troppmann heißen.«
»Aber Ihr Vater ist weder ein Königsmörder noch ein Mörder, zumindest nicht im Sinne des Gesetzes.«
»In Anbetracht dessen, was er kürzlich getan hat, ist das nicht mehr so sicher.«
» Nun, nun, mein Freund. Ich habe, wie alle Welt, die Angelegenheit verfolgt, und ich kann Ihnen versichern, daß selbst ein Gerichtsassessor in der Lage wäre, zu beweisen, daß Ihr Vater durch seinen Schmerz verwirrt war.«
Da die Person seines Besuchers die Neugier des Anwalts erweckt hatte, erklärte er sich bereit, den Fall zu übernehmen. Denn auch er war einst von seiner Amme mit der Drohung geschreckt worden, daß er bei lebendigem Leib von Pibrac verspeist werde, wenn er seine Suppe nicht auslöffele.
Nicolas Malzac war der Erbe einer Familie mit großem Grundbesitz, die während der Revolution durch den Ankauf nationaler Güter reich
Weitere Kostenlose Bücher