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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Rigunth war mütterlich, obwohl sie es doch war, die eben erst der Kindheit entwachsen war.
    Nach erstem Aufruhr fügte sich Bathildis ihr, atmete zwar heftig, aber gewann ein wenig an Farbe.
    »Wie hältst du’s aus hier?«, fragte sie nicht länger schrill. »Überkommt dich nicht gleiche Erinnerung wie mich?«
    »Es gibt doch auch Gutes zu erschauen...«
    Bathildis wollte ihr widersprechen, doch noch fester legte sich Rigunths fester Griff um ihre Schultern, zwang sie, erneut durch den Spalt zu schauen, und diesmal befiel Bathildis nicht nur Grauen, sondern sie begriff, warum sie hierhergekommen war.
    Eligius von Noyon war von hoher Gestalt, rötlichem Antlitz, schöner Haartracht mit Locken und hatte feine Hände und lange Finger. Sein Gesicht war weibisch, sein Blick sehr aufmerksam und zugleich doch auch ein wenig müde. Edel war seine Kleidung: Er trug einen Gürtel aus Edelsteinen, die Unterkleider waren aus Seide, die Taschen gemmenbesetzt, die Kleider mit Gold bedeckt.
    Begleitet von einigen Diakonen und Presbytern schritt er die Reihen des Marktes ab, ohne die Gebundenen sonderlich zu beachten. Kaum traf sein Blick ihre elenden Glieder und Wunden. Doch mit sicherem Instinkt, gleich so, als würde ihm jemand auf der Schulter sitzen und zuraunen, wer denn von ihnen allen der Schwächste und Geschundenste wäre und wer am meisten seiner Hilfe bedurfte, deutete er mal auf den einen, mal auf den anderen – und diensteifrig leisteten seine priesterlichen Begleiter ihren Dienst, handelten mit den Besitzern einen Preis aus und kauften die jämmerlichen Gestalten frei.
    Manch einer, jäh befreit von unliebsamer Fessel, fiel dem Bischofvor die Füße, fasste nach der Hand und suchte seinen Ring zu küssen.
    Bathildis stieg beim bloßen Anblick Ekel auf. Nie hätte sie die grindigen Gestalten in solche Nähe gelassen. Doch Eligius, nicht minder ausdruckslos wie in jenen Momenten, da er die Reihen abschritt, beugte sich zu ihnen nieder, sprach manch Wort und strich über die verschwitzten Häupter.
    Bathildis erstarrte, je länger sie ihm dabei zusah.
    Er hat recht mit seinem Tun, ich nicht, ging ihr durch den Kopf. Ich dürfte mich nicht ekeln. Ich am allerwenigsten. Aidan könnte einer von ihnen sein.
    Sie wünschte, die Reue würde sie derart mitreißen, dass sie über die dreckige Straße stiege, zu Eligius eilen und es ihm gleich machen würde. Doch sie genügte nicht, sich derart zu überwinden.
    »Schick ihn zu mir«, murmelte sie zu Rigunth. »Schick ihn in den Wagen.«
    Lange hockte er bei ihr, so geduldig, wie sämtliche Regungen von ihm ausfielen, als habe er alle Zeit der Welt, als gäbe es nichts, was nach dem jeweiligen Tun auf ihn wartete, weder Menschen, die zu Freunden werden konnten, noch ein Heim, in dem sich seine Seele zuhause fühlte.
    Bathildis hatte gehört, dass er ein Einzelgänger sei, ungern mit seinen Amtsbrüdern zusammen, sich jeder Verpflichtung erwehrend, wenn er sie sich nicht selbst auferlegte, ganz seinem Vorbild, dem Heiligen Columban verpflichtet und dessen Ideal der Peregrinatio, welches besagte, dass der Mensch, der für Gott lebt, stets ein heimatloser ist und bleibt.
    Nichts, was er nun sagte und wie er sich gab, widersprach dem – und doch hatte sie ihn sich ganz anders vorgestellt, tatkräftig, willensstark, übervoll mit dem glühenden Begehren, für Gottes Gebote zu streiten.
    Stattdessen hockte da ein zwar würdevoller und doch ermatteterMann vor ihr, der lange nichts sprach, sondern nur seufzte, nicht kummervoll, wie es an einem Ort wie diesem geboten wäre, sondern lediglich ausgelaugt.
    So befremdend dieser Anblick war – er beruhigte sie, mäßigte ihre vorige Panik.
    Er hätte mich damals gerettet, ging ihr durch den Kopf. Wenn er anstelle von Bruder Answin auf mich und Aidan getroffen wäre, hätte er uns vom Sklavenlos befreit...
    Der Gedanke war tröstlich. Wiewohl er an der Vergangenheit nichts ändern konnte, empfand sie ihn doch als Wiedergutmachung, als Verheißung auch, dass Sehnsüchte durchaus gestillt werden könnten – die Sehnsucht nach einem Beschützer, einem Helfer, einem Helden, wie sie sich einst nicht nur in Quentovic geregt hatte, sondern auch beim nächtlichen Überfall im Kloster. Damals hatte sie ihrem Vater gegolten, und wohingegen dieser ob seiner rohen, wortkargen Erscheinung ihre Erwartungen nicht hatte erfüllen können, so verhieß Eligius, ein Vorbild zu sein, eine Stütze, ein Ratgeber.
    »Wie vermögt Ihr, die Hässlichkeit dieser

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