Die Regentin (German Edition)
raunend und flüsternd wie in tiefstem Zorn.
»Der Ruhm mancher Merowingerkönigin ist in ihrem Blut ertränkt worden, Bathildis. Mehr sind ermordet worden als eines natürlichen Todes gestorben!«
Sie schluckte trocken. Wieder zitterten ihre Knie, und es gelang ihr darum nicht, zurück zum Bett zu treten.
»Willst du mir drohen, Ebroin?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich will dir nur raten: Wahrhaft mächtige Menschen vergessen nie die Furcht vor ihrem Fall! Das solltest auch du nicht tun!«
Sie schaffte es nicht länger, sich aufrechtzuhalten. Ihre Knie sackten ein, sie fiel vor ihm auf den Boden, und dass er Zeuge ihrer Schwäche war, genügte, um sämtliches schlechte Gewissen ihm gegenüber zurechtzustutzen und gerechten Zorn heraufzubeschwören.
Als er sich betroffen zu ihr neigte, um sie zu stützen und um ihr aufzuhelfen, verweigerte sie sich, die Spuren echter Sorge in seinem Gesicht zu sehen. Auf dass sie selbst ihre schmähliche Lage nicht zugeben müsste, gab sie vor, mit Absicht in die Knie gegangen zu sein. Ihre Hand fuhr in den Kamin, grub in jenem kleinen Häuflein Asche, das dort übrig geblieben war, und warf die grauen Flöckchen gegen ihn. Wie ein lautloser Regen gingen sie auf ihn herab, und noch ehe er wusste, was ihm geschah, und er sie mit den Händen wegfächeln konnte, begann er schon zu husten.
Sie hielt sich beide Hände vor Mund und Nase, indessen er gegen die Wolke ankämpfte und schließlich, da seine Schultern nicht mehr ob des Hustens erzitterten, erstarrte.
»Doch wer von uns beiden«, stieß sie hervor, »sollte größere Furcht vor dem Fall haben... größere Furcht vor der Asche?«
Von diesem Tag an rechnete Bathildis mit Ebroins Rache.
Doch nach dem Frühling zog der Sommer ins Land, und aus ihrem Säugling wurde ein kräftiger, laut schreiender Sprössling, ohne dass Ebroin sich wieder bei ihr blicken ließ. Sie nahm es erleichtert hin und erkannte zu spät, welche verworrenen Wege sein Trachten ging, es ihr heimzuzahlen. Erst im Herbst kam sie ihm auf die Schliche.
Seit Theuderichs Geburt waren ihre Reisen durchs Land und ihre Besuche bei Eligius seltener geworden, gleichwohl sie nicht aufhörte, jene Klöster zu beschenken, deren Äbte treu zu ihr standen und die ein Hort für Kranke und Arme, Unfreie und Geschundene waren. Manch Stunde brachte sie damit zu, von den Notaren Briefe und Urkunden schreiben zu lassen – doch zugleich ließ sie es nie an Zeit mangeln, den jüngsten Sohn zu sich zu befehlen und sich an ihm zu erfreuen.
Fara sah es gerne. Die Gleichgültigkeit der Königin gegen Chlothar und Childerich war ihr stets widernatürlich erschienen – und sie nützte Bathildis’ neue Zärtlichkeit, um auf die älteren beiden zu sprechen zu kommen.
»Sie brauchen Eure Sorge nicht minder als der Kleine hier«, sprach sie. »Ihr solltet ihnen zeigen, dass Ihr ihnen zugeneigt seid, dass Ihr an ihrem Leben Anteil nehmt.«
Anders als früher gelang es ihr diesmal, ein schlechtes Gewissen zu schüren.
Betroffen blickte Bathildis hoch, rang mit sich, gestand sich schließlich ein, dass ihre Versöhnung mit Chlodwig nicht dazu geführt hatte, dass sie sich auch den ersten beiden Söhnen liebevoller hätte nähern mögen. Wenn sie mit dem Gemahl zusammen war, so fühlte sie sich nicht an die ersten Jahre der Ohnmacht und Erstarrung gemahnt. Chlothars und Childerichs Gegenwart jedoch erinnerte sie stets an jene Gemütsverfassung, da nichtshatte in sie dringen können und sie der Welt nicht mehr von sich schenkte als den Anblick einer leblosen Hülle.
»Sie haben gute Lehrer«, wandte sie ein.
»Doch wünscht Ihr nicht zu erfahren, meine Königin«, bohrte Fara, »wie sich ihr Unterricht gestaltet?«
Wiewohl sie nichts mehr sagte, schien sie im Stillen weitere Mahnung hinzuzufügen: Dass Bathildis die beiden Großen nie in wichtiger Stunde begleitet hatte – nicht beim ersten Gehversuch, nicht beim ersten Ritt, nicht beim Erlernen der Waffenkunst.
Bathildis zuckte die Schultern und seufzte. Sie wollte sich nicht dazu herablassen, Fara zu antworten und ihr Recht zu geben, doch am nächsten Tag geschah es zum ersten Mal, dass die Königin ihre Söhne beim Unterricht besuchte, so wie künftig jede Woche einmal, und dass sie obendrein manches Mal Unterredung mit ihrem Lehrer hielt.
Es war dies ein Franke namens Fredegar, ein gedrungener, feingliedriger Mann, der aus der Ferne betrachtet die Statur eines Kindes hatte, jedoch lebendige und wache Augen in einem dunklen
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