Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
Vom Netzwerk:
Blut.
    »Was ist geschehen?«, fragte sie.
    Noch ehe er antworten konnte, gerieten die losen Fetzen ihrer Erinnerung zu einem strammen Tuch, das schmerzlich auf das erschöpfte Gemüt klatschte und es gänzlich weckte.
    Der Überfall. Das Töten. Ihr Vater Thorgil – er weilte nicht mehr unter ihnen...
    »Sie... sie haben uns auf ein Schiff gebracht«, sprach Aidan jämmerlich. Seine Stimme klang so rau, als hätte er geweint, obwohl sein Vater Ricbert solch Verhalten gewiss niemals geduldet hätte.
    Bathildis war es gleich. Das Mädchenhafte, Weiche an ihm störte nicht – solange er nur da war und sie nicht alleine.
    »Wer?«, murmelte sie. »Wer...?«
    Aidan antwortete nicht, entweder weil er zu zermürbt war oder weil er ahnte, dass sie sich die Antwort denken konnte.
    Ein dumpfes Knirschen ging wieder durch den Rumpf des Schiffes, dessen tiefer Bauch sie verschluckt hatte – wohl eines jener Schiffe, die sie vom Kloster aus erspäht hatte, wie sie bedrohlich näher kamen. Damals hatte sie die Nonnen warnen und das Schlimmste verhindern können. Heute nicht.
    »Es... es können doch nicht alle tot sein«, sagte sie rasch. »Mein Vater lag auf der Erde... aber deinen, Ricbert, habe ich nirgendwo erschaut. Vielleicht lebt er noch. Vielleicht kommt er, uns zu retten... rechtzeitig, bevor sie uns wegbringen. Wohin ... wohin geht es überhaupt?«
    Erneut war Aidans Schweigen Antwort genug, um sämtliche Hoffnung zu vernichten.
    Kaum zu glauben war, dass einer von den anderen Männern überlebt hatte. Und was mit ihnen geschehen würde, das konnte keiner sagen...
    Sie dachte an die Ängste, die sie gemeinsam mit den anderen Nonnen ausgestanden hatte und die nun schreckliche Wirklichkeit geworden waren. Kriegern hatten sie gegolten, die entführten und raubten und schändeten, die aus gottverlassenen, heidnischen Ländern kamen – und von denen sie tatsächlich gedacht hatte, man könne sie überlisten, sich vor ihnen schützen.
    »Aidan... bitte Aidan! Sag etwas!«
    Trotz der Dunkelheit fühlte sie seinen Blick, traurig und schwer. Sie hob die Hand, um sein Gesicht zu ertasten und darin das zu finden, was der leere Blick nicht verhieß: Zuversicht und Mut.
    Kurz zuckte er zusammen, als litte auch er an Schmerzen; dann erzitterte er unter ihrem Streicheln. Wiewohl er immer noch keinen Laut von sich gab, fühlte sie an der Nässe, auf die ihre Finger trafen, dass er tatsächlich geweint hatte, es vielleicht immer noch tat.
    Sie wollte sich vorbeugen, um sich fester an ihn zu pressen, um ihn zu trösten und sich an ihm zu wärmen. Doch bevor sie sich ächzend über die Grenzen hieven konnte, die ihr der schmerzende Körper auferlegte, durchschnitt grelles Licht, einem scharfen Messer gleich, die enge Kammer – und die Schatten, die alsbald auf ihnen lagen, gehörten zu den Leibern zweier der überaus riesigen, grimmigen Krieger.

V. Kapitel
    Bathildis fühlte, wie Aidan zusammenzuckte, rasch den Kopf zwischen den Knien versenkte, vielleicht in der Hoffnung, dass er nicht gesehen würde, solange er sich nur blind stellte. Sie hingegen konnte nicht anders, als die beiden Männer anzustarren, obwohl das plötzliche Licht in den Augen schmerzte und sie zunächst nicht mehr sah als Schwarz und Weiß, jedoch keine Farben dazwischen.
    Zumindest hörte sie gut. So angestrengt verlegte sie sich aufs Lauschen, dass sie sogar die Schmerzen in ihrem Leib vergaß.
    Fremde Laute.
    Kein einziges Wort, das die beiden Krieger zueinander sprachen, klang vertraut. Es schienen auch keine ganzen Sätze zu sein, nur abgehackte Wortfetzen, die sie mehr bellten denn sagten; fast schien’s, als hätten sie den Mund voller Speisen und ihre Zunge zu wenig Bewegungsfreiheit, um anständig zu artikulieren.
    Zuerst sprachen sie im Eingang miteinander, dann duckten sie sich, um den Raum zu betreten, der so niedrig war, dass der eine nicht aufrecht stehen konnte und der andere mit seinem Helm an der Decke kratzte.
    Von jenem Helm sah sie nun mehr – er schien aus Holz zu sein, in das manche Figur geritzt war.
    Ansonsten war die Kleidung farblos. Die Umhänge, wohl aus Ziegenleder, stanken ranzig, als hätten sich die Männer in altemFett gewälzt – ähnlich wie manche Begleiter ihres Vaters es getan hatten, die sich keine Pelze leisten konnten und die darum ihre Kleidung ölten, um sie gegen Kälte und Nässe zu schützen.
    Als der kleinere von ihnen sich über Bathildis neigte und ihr ins Gesicht starrte, erkannte sie, dass der beißende Wind

Weitere Kostenlose Bücher