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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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einen Helm, doch anstelle eines stinkenden Lederumhangs einen rötlich glänzenden Pelz. Sein Schwert hatte einen Griff aus Silber, die Ringe um das Handgelenk leuchteten golden und waren mit prächtigen Steinen versehen. Offenbar war er ihr Anführer.
    Noch ehe sich Bathildis entscheiden konnte, ob dies Gutes oder Schlechtes verhieß, begann er zu brüllen, in fremdländischen Worten, aber immerhin in besser artikulierten. Beide Krieger zuckten zusammen – der eine vergaß seine Wunde, der andere Bathildis.
    Wiewohl sie ob ihrer Größe schon ohnehin gekrümmt gestanden hatten, duckten sie sich noch tiefer, senkten den Blick und trollten sich alsbald nach draußen – offenbar einem Befehl folgend.
    Bathildis wagte kaum zu atmen, als nun der Anführer sie musterte. Allerdings kam er ihr nicht zu nahe, sondern drehte sich schließlich wortlos um und verschloss die enge Kammer.
    Wenig später wurde sie ein letztes Mal geöffnet. Erneut war es der Krieger, der Bathildis als Erster gepackt hatte und nun eine Blutspur hinter sich herzog. Diesmal beachtete er das Mädchen nicht, sondern tastete nur den Boden ab. Rasch fand er, was er suchte – seinen abgeschlagenen Finger –, und wandte sich hernach zum Gehen.
    Bathildis beugte sich vornüber. Sie dachte, sie müsste sich übergeben und öffnete schon den Mund zu diesem Zwecke. Doch anstatt den ganzen Ekel heraufzuspeien, hörte sie sich plötzlich schreien.
    »Du Feigling!«, brüllte sie. »Du elender Feigling!«
    Bathildis konnte sich später nicht mehr daran erinnern, wie lange ihr Wutanfall währte. So rau wie sich ihr Hals später anfühlte und so krächzend, wie ihre Stimme war, mussten es Stunden gewesen sein.
    Ihr war nicht bewusst gewesen, dass ihr Gemüt, von Ängsten verwüstet, noch fähig war, ein bestimmtes Ziel ins Auge zu fassen. Nun richtete es sich erstaunlich klar an Aidan und brachte viel mehr zustande als nur das panische Geschrei, wonach ihr eigentlich zumute war. »Du Feigling! Du Feigling! Warum hast du mir nicht geholfen? Warum hast du dagesessen wie ein Toter, anstatt für mich einzutreten?«
    Sie schaffte, was den Riesen aus dem Norden nicht gelungen war – dass er nämlich den Kopf hob, aufblickte, verständnislos und zugleich peinvoll berührt.
    »Bathildis...«, warf er vorsichtig ein.
    Sie begann, auf ihn einzuhauen, mit Händen und Füßen. Nicht, dass diese Regungen ihr keine Schmerzen bereiteten; nicht, dass sie sich nicht ausgezehrt und kraftlos fühlte. Aber sie dachte, sie müsste an dem nicht endenwollenden Grauen, das sich in der letzten Stunde immer weiter aufgebläht hatte, ersticken, wenn sie nicht dareinsteche, als gelte es, üble Luft entweichen zu lassen.
    »Weiß der Himmel, was die beiden mit mir geplant haben!«, plärrte sie weiter. »Und du hast nichts getan!«
    Es reichte nicht, auf ihn einzuschlagen. Am liebsten hätte sie ein Loch in den Boden gestampft, selbst wenn das bedeutet hätte, dass das Schiff mit solchem Leck versunken wäre und sie elendiglich ersoffen.
    »Bathildis... du hast ihre Leiber doch gesehen... und jetzt schau mich an!«, warf er kläglich ein. »Was hätte ich denn ausrichten können gegen sie? Sie haben dich gehoben, als wärst du leicht wie eine Feder! Gleiches hätten sie mit mir gemacht!«
    Sie wollte es nicht gelten lassen.
    »Du bist ein Feigling!«, brüllte sie erneut. »Ich weiß jetzt, warum dein Vater sagte, du wärest mit der Zunge flinker als mit dem Schwert! Du warst immer schon ein Feigling, nicht wahr? Du warst heilfroh, dass du in der Nacht dein Schwert nicht ziehen musstest, sondern mit mir fliehen konntest... oder es zumindest versuchen. Hauptsache, du musstest dich ihnen nicht stellen! Du bist kein rechter Mann, Aidan!«
    Er zuckte mit den schmalen Schultern.
    »Wenn ich versucht hätte, dir zu helfen, wäre ich jetzt tot«, sagte er dann, nicht nur kleinlaut, sondern auch ein wenig trotzig. »Hättest du das gewollt?«
    Ihre Wut verlosch augenblicklich. Sie fiel in sich zusammen, zu einem jämmerlichen Haufen aus Verzweiflung und Angst und Verbitterung.
    Aidan hatte recht. Er war viel zu klein und kümmerlich und blass, um ihr eine Hilfe zu sein. Und dennoch hatte sie nie zuvor in ihrem Leben eines Menschen so bedurft wie seiner, schlichtweg, weil er der einzige Vertraute in einer Welt geblieben war, die von mordenden Riesen beherrscht zu sein schien.
    »O Aidan!«, stöhnte sie auf.
    Sie kniete neben ihm nieder, klammerte sich an ihn, legte das Gesicht in seine Halsbeuge.

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