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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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längliche Furchen zogen.
    Zuerst war es Bathildis angenehm, dass er schwieg. Kein Wort, so war sie sicher, könnte sie selbst als Antwort geben, ohne in Tränen auszubrechen. Selbst das Gehen tat ihr weh, als trete sie mit jedem Schritt auf glühende Kohlen, führte jeder einzelne sie doch weiter fort von Aidan.
    Nicht hochsehen. Nicht zurücksehen. Nicht begreifen. Noch nicht.
    Kaum bemerkte sie, dass der Mönch sie aus der kleinen Stadt Quentovic am Meer fortführte, dorthin, wo der salzige Algengeruchvom hölzern-strohigen der flachen, gelben Felder verschluckt wurde. Lustlos wogten sie im kühlen Wind.
    Am Rand von einem der Felder blieb Bruder Answin stehen, nestelte an seiner Kutte und zog etwas hervor, was Bathildis nicht gleich erkannte. Vielleicht war es etwas zu essen, überlegte sie, zerrissen von der Gier, sich so viel wie möglich in den hungrigen Leib zu stopfen, und dem Widerwillen, den allein die Vorstellung zeugte, dass sie nach solch schwerer Stunde mit gutem Appetit essen könnte. Schon wollte sie stolz ablehnen, als sie begriff, dass er ihr nichts Gutes tun wollte, sondern es ein Strick aus Hanf war, den er da plötzlich in den Händen hielt und den er ihr mit geübten Griffen um den Nacken und dann um die Hände schlug. Jene musste sie wie betend aneinanderpressen.
    Ehe sie erfasste, was er da tat, war sie schon gefesselt, und er zerrte grob am Strick und riss sie, die sie noch fassungslos stand, beinahe auf die Knie.
    »He!«, schrie sie auf. »Was soll das? Ihr wisst doch, wer ich bin!«
    Sie suchte seinen flinken Blick, doch seine Augen blieben niedergeschlagen.
    »Ich weiß vor allem, dass du jetzt mir gehörst«, entgegnete er mürrisch. »Habe dich schließlich gekauft...«
    Er brachte den Satz nicht zu Ende, sondern wandte sich ab, ging ein paar Schritte und zwang sie, es ihm gleichzutun. Mit sämtlicher Kraft suchte sie sich dagegenzustemmen.
    »Aber Ihr wolltet mir doch helfen! Ihr habt mich freigekauft, damit ich heimkehren kann! Ihr könnt doch nicht...«
    Jetzt betrachtete er sie endlich, jedoch nicht wie ein Menschenkind, sondern wie ein störrisches Vieh. Vielleicht reute es ihn schon, dass er sie gekauft hatte und nicht ein Fass Wein oder Met.
    »Ist dir an Gutem nicht genug getan, wo du nun in meiner Hand bist und nicht mehr in jener der blonden Riesen? Begnüg dich damit und halt dein Maul!«
    Er zog an dem Strick, sodass sie meinte, er würde sie erdrosseln.
    »Das könnt Ihr nicht tun«, rief sie erstickt. »Ihr seid doch ein Mann Gottes, und...«
    »Und dieser Gott hat mich dazu berufen, die Heiden zu bekehren. Dies ist meine Pflicht. Dir aber bin ich nichts schuldig. Du bist bereits getauft.«
    Um ihres Widerstands Herr zu werden, wickelte er das Hanfseil mehrmals um seine feiste Hand.
    »Eben darum müsst ihr mir helfen!«, presste sie hervor.
    Er lachte bitter. »Gott hat die Sklaverei nicht verboten, und du wirst mir gutes Geld einbringen. Die Friesen haben deinen Wert unterschätzt, weil du keine kräftigen Hände hast. Fünf Solidi haben sie nur verlangt. Aber ich wette, ich kriege fünfzehn, wenn ich dich Weiterverkaufe. Das Geld soll mir die Reise erleichtern, zu der ich beauftragt worden bin.«
    Wieder wollte er es dabei bewenden lassen, ging weiter, zog sie mit sich. Wieder stemmte sie sich bockig dagegen, auch wenn sie noch weniger Luft bekam.
    »Bringt mich sofort zu Eurem Bischof!«, japste sie.
    »Ha! Der Bischof, der Bischof!«, lachte Bruder Answin.
    Ihretwegen wäre er gewiss nicht fortgefahren, doch ihre Worte rührten offenbar an eine alte Wunde.
    »Glaubst du, der Bischof hört den Menschen zu? Mir gegenüber stellt er sich stets taub. Seit vielen Jahren schickt er mich immer wieder in den Norden, in dieses gottlose Land, wo mehr Heiden hausen als Christen. Hat er sich ein einziges Mal darum geschert, worum ich bat? Oh, wie ich ihn angefleht habe! Dass er mir ein Jahr der Ruhe gönnen möge, in dem ich mich einzig dem Gebet und dem Fasten widmen darf! In dem ich nicht täglich Angst haben muss, dass man mich erschlägt oder häutet oder lebendig verbrennt! Und was sagt er, welcher da mit fettem Arsch hockt und sich schon morgens Hirschbraten reichen lässt, im Übrigen auch in der Fastenzeit: Dass ich der Spracheder Wilden mächtig wäre, weil meine Mutter auch von jenen stammte, und dass deshalb keiner besser geeignet wäre als ich, ihnen das Wort Gottes zu überbringen und sie vom Höllenfeuer zu befreien. Extra Ecclesiam nulla salus est. Außerhalb der

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