Die Regentin (German Edition)
Gegenwart künden konnten. Zuerst waren sie vorsichtig geschürzt, als würde sie ein Stück Brühe danach überprüfen, ob es noch zu heiß war zum Schlucken. Dann begann sie, an ihm zu lecken, zu saugen, die Haut zwischen dem Mund einzuklemmen, sodass – würde man ihn denn bei Tageslicht sehen können – rote Flecken verblieben.
»Bathildis«, fragte er erneut, »was tust du denn?«
Er versteifte sich – was immerhin schon mehr war als das schlaffe Sitzen. Doch wiewohl er sämtliche Muskeln anspannte, blieb sein Körper weich und zart, gleich dem eines Kindes, das nicht recht weiß, ob es sich von den Liebkosungen seiner Mutter gestärkt fühlen sollte – oder gekränkt. Dessen ungeachtet öffnete sie die verschränkten Hände, ließ sie einzeln über seinen Leib gleiten, die eine da, die andere dort.
»Erzähl mir...«, forderte sie indessen, »erzähl mir von unserem Leben, wie wir es führen werden, Aidan. Erzähl mir von unserer Heimat und wie es dort aussehen wird, wenn wir wiederkehren.«
»Bathildis«, wandte er vorsichtig ein, »es gibt kein Hoffen mehr für uns... für mich... Dich hat der Mönch freigekauft, aber ich...«
»Doch!«, unterbrach sie ihn heftig. »Erzähle!«
Sie schien den Körper nicht mehr zu streicheln, sondern zu kneten, prüfend jetzt, wie ein Vater, der wissen wollte, ob die harte Erziehung fruchtete und an den weichen Rundungen des Kindes Zeichen der Manneskraft erkennbar waren.
»Bitte«, flüsterte er, »du darfst mich nicht umarmen... es schickt sich nicht.«
Sie lachte schrill und verzweifelt. »Warum nicht? Wären wir nicht hier... hätte man die Ehe zwischen uns nicht längst geschlossen?«
Er rutschte von ihr weg, sie ließ ihn nicht los. »Können wir uns nicht glauben machen, wir wären Mann und Weib?«, fuhr sie fort. »Sollen wir nicht hier und jetzt den Bund schließen, uns gegenseitig versprechen, dass wir zusammengehören? Braucht es dafür tatsächlich einen Priester?«
Trotz der Dunkelheit wähnte sie ihn erröten. Schweiß brach ihm hervor, sie konnte ihn spüren, es war eine klebrige Schicht.
Offenbar hatte er schon darüber nachgedacht, was es heißen würde, bei einem Weib zu liegen und solcherart unweigerlich zu sündigen. Vielleicht hatte er es sich ausgemalt, wie es mit ihrwäre, schon bei ihrem ersten Zusammentreffen, als er es kaum vermocht hatte, sie anzusehen.
»Ich weiß nicht«, stammelte er. »Ich weiß nicht, ob wir uns derart aneinander binden dürfen. Was soll geschehen, wenn wir später einen anderen Menschen treffen und nicht wissen, ob der Gatte noch lebt? Dir... dir gelingt es vielleicht heimzukehren. Ja, ganz sicher gelingt es dir. Der Mönch wird schon dafür sorgen. Und dann kannst du einen anderen Mann nehmen und mich vergessen.«
Sie wusste, dass er sie trösten wollte, und vielleicht war es berechtigt, in ihr die Erwartung zu schüren, dass sie bald frei- und heimkäme. Und doch spürte sie keine Hoffnung, nur Angst vor dem Schrecklichen, Schrecklichen, das im Morgengrauen wartete – das Alleinsein, das Losgelöstsein von allem, was ihr vertraut war, was sie kannte. Jene Angst reizte sie zu dem freudlosen Bekenntnis: »Ich will keinen anderen Mann. Ich will dich.«
Ich will nach Hause, dachte sie und schluchzte trocken auf. Ich will zu der Familie meines Vaters oder der von Aidan, ganz gleich, zu wem. Und dann will ich mit Aidan glücklich sein – weit fort von diesem grauenhaften Ort.
Ihre Hände waren nicht länger zielstrebig. Sie packten ihn nicht mehr, sondern fielen kraftlos in seinen Schoß.
»Bathildis...«, murmelte er. »Bathildis, ich bin ein Todgeweihter.«
»Nein! Du darfst nicht sterben. So wenig wie ich. Nicht bevor wir heimgekehrt sind, nicht bevor wir uns wiedergesehen haben. Das musst du versprechen!«
»Wie soll ich versprechen, nicht zu sterben, Bathildis?«
Sie nickte schwach. »Dann lass uns etwas anderes versprechen. Wenn wir denn überleben, so werden wir stets danach trachten heimzukehren. Wir werden nicht aufgeben, uns wiederzufinden. Wer immer es zuerst schafft, wer immer das bessere Los findet – er darf nicht ruhen, ehe er nicht den anderen gefunden hat. Schwörst du das?«
»Bathildis...«
»Schwörst du es? Dass du nicht aufhören wirst, darum zu kämpfen, dass wir wieder vereint sind? Dass wir uns finden werden? Auch wenn der Mönch mir hilft – ich würde den morgigen Tag nicht überleben, wüsste ich nicht, dass es noch Hoffnung gibt. Irgendwann, irgendwo.«
Ihre Stimme war
Weitere Kostenlose Bücher