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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Kirche gibt es kein Heil. So gelte es, und darum müssten wir die Ungläubigen retten. Freilich habe ich mir das nicht ausgedacht. Ich sag mir, dass die Heiden gerne in der Hölle schmoren können. Und hab ich nicht schon mehr getauft als sämtliche meiner Mitbrüder? Sollen doch zur Abwechslung einmal jene als Schafe unter eine Meute Wölfe gehen!«
    Er war zu Bathildis zurückgetreten, umrundete sie mit seinem kleinen, stämmigen Leib.
    »Aber nein«, geiferte er, »meine Mitbrüder sind Jahr um Jahr froh, dass es mich erwischt. Wünschen mir Gottes Segen und schließen hinter mir das Tor. Darum kannst du gewiss sein: Wenn einer wie ich schon kein Gehör beim Bischof findet, dann gewiss nicht ein Weib wie du! Außerdem bist du unrein. Die Friesen schänden Frauen wie dich.«
    »Nein!«, rief sie empört. »Nein, das haben sie nicht getan!«
    »So bist du also auch eine Lügnerin!«
    »Ich bin keine Lügnerin. Ich bin ein Kind Gottes... Ne despexeris deprecationem meam. Conturbatus sum...«
    »Halt’s Maul! Und komm mir nicht mit lateinischem Gebet! So oft war ich in der Einöde, dass ich Gottes Sprache längst verlernt habe.«
    Er knurrte – viel tiefer, als er sprach. Erst bei diesem Klang ging ihr vollends auf, dass sie verloren hatte, dass es ihr nicht gelingen würde, ihn umzustimmen. Er hatte sie zu eigenem Nutzen gekauft, nicht, um sie zu retten. Sie würde nicht heimkehren können, um nach Aidan zu suchen, sondern wurde tiefer und tiefer in ein fremdes Land verschleppt.
    »Wohin bringt Ihr mich?«, ächzte sie. »Wer ist es, an den ihr mich weiterverkaufen werdet?«
    Sie war erstaunt, dass sie die Fragen noch zustande brachte.So eng und schmerzhaft wie der Strick um ihren Hals wanden Bitterkeit und Verzweiflung Fesseln um sie.
    Answin knurrte ein letztes Mal.
    »Wirst es bald genug erfahren, Mädchen«, murmelte er und zog am Strick.
    Nicht einmal bei ihrem Namen nannte er sie, obwohl sie ihm jenen gesagt hatte auf dem Markt. Für ihn zählte ihr Name so wenig wie ihre Herkunft. Nicht länger war sie eine Fürstentochter. Nun war sie nur noch eine Sklavin.

Zweites Buch
    Die Sklavin
    A.D. 647–649

VIII. Kapitel
    Leise klatschend verdünnten farblose Regentropfen den Schlamm, der den Weg überflutet hatte. Der Waldboden war eine übel riechende Suppe, in der aufgedunsene Moosflecken schwammen.
    Durch diesen Dreck zog Bathildis an der Seite des Händlers Sicho, nach der wochenlangen Reise durch das herbstliche Frankenreich an Tage wie diese gewöhnt, da heftige Regengüsse die Wege in Schmutz auflösten und etliche Flüsse über die Ufer traten.
    Manchmal schlug Sicho den Ochsen, der vor das ruckelnde Gefährt gespannt war, manchmal sie, die sie neben dem Vieh ging und es durch schrille Befehle oder einen schmerzhaften Zug am Strick zum Weitergehen zu bringen versuchte. Oft nutzte weder das eine noch das andere. Das Vieh schien die Nässe zu scheuen und desgleichen die Kälte, die diese bedingte, denn es war mager, und die Haut hing ihm vom Leib wie eine zu große Schürze. Jeder Schritt, den es störrisch tat, war ertrotzt.
    Sichos Laune war nicht besser als die des Viehs. Das Regenwasser floss ihm über die Glatze, die vom gleichen roten Ausschlag zerfressen war wie sein Gesicht. An feuchten Tagen, da ihm diese Strafe Gottes mehr zusetzte als an den trockenen, kratzte er sich oft blutig, wiewohl das grässliche Jucken eine leicht zu tragende Unbill war – verglichen mit den nicht minder häufigen Zahnschmerzen. Jeder Bissen Brot war ihm verdorben,und solcherart des guten Appetits verlustig fastete er tagelang.
    Dass ihm diese Zahnschmerzen auch den heutigen, ohnehin vernieselten Tag noch mehr verleideten, konnte Bathildis nicht nur an den Schlägen ablesen, die sie trafen, sondern auch an den Flüchen, die er ausspuckte, obwohl er für gewöhnlich Angst hatte, sich solcherart noch größeren Gotteszorn zuziehen, denn der Weltenrichter übersah nichts, und Sicho sagte Ihm eine große Freude nach, jede einzelne Sünde aufs Schärfste zu ahnden.
    Bathildis’ Schritte wurden schwerer und schwerer. Bei jedem einzelnen versank sie so tief im Schlamm, dass sie immer größere Mühe hatte, den Fuß wieder hochzuziehen. Sie wusste, es wäre besser, eine Pause einzulegen, um nicht zu riskieren, dass das Gefährt auf dem rutschigen Wege Schaden nahm. Freilich kannte sie Sicho gut genug, um richtig einzuschätzen, dass er von ihr keine Ratschläge erwartete, sondern ein schweigendes Befolgen all seiner mürrischen

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