Die Regentin (German Edition)
bereitwillig, ihren Leib in Besitz nehmend, noch ehe sie überhaupt wach war. Sie wusste nicht, ob er das Recht dazu hatte – in jedem Falle aber alle Macht. Jene zu entkommen hatte sie nicht, nur die, sich weitgehend zu wehren: Sich selbst war sie das schuldig, der ohnehin schon beschmutzten Ehre und... Aidan.
»Doch!«, rief sie. »Doch, ich bin aber eine!«
Ihre Stimme gewann noch mehr an Kraft, als sie ihm ihre Geschichte entgegenhielt: von ihrer Herkunft, ihrem Raub, ihrem Dasein in Sichos Gefolgschaft, wenngleich sie dessen schlimmste Details für sich behielt. Sie sprach nicht nur auf den Fremden ein, erhob jäh die Hände, die sich eben noch taub angefühlt hatten, und schlug damit um sich, zuerst wahllos, ihn dann aus Zufall treffend. Gewiss waren diese Schläge nicht fest und schmerzhaft, eher ein Trommeln, mit dem sie ihren Worten einen Rhythmus gab.
Eben noch hatte sich sein Blick gelichtet, vielleicht weil er erleichtert war, keinen fränkischen Vater oder Gatten fürchten zu müssen, der das vom Himmel gefallene Mädchen für sichbeanspruchte oder sich gar für unziemliches Verhalten rächte. Dann freilich, als ihn ihre Schläge trafen, wurden die Augenfalten tiefer; er hob die Hände, als wollte er sich beide gleich an die Ohren pressen, und packte damit dann doch die ihren, um sie zum Innehalten zu bewegen.
»Du hast mir schlafend besser gefallen!«, schimpfte er nun. »Muss mir schon von meinem Weib allzu viel Nörgeln gefallen lassen. Und jetzt beginnst auch du, mich anzukeifen, obwohl du mir dein Leben verdankst?«
Sie stutzte. Sie hatte erwartet, dass er Gewalt anwenden würde, um sie sich gefügig zu machen, jedoch nicht, dass er sich belästigt gab, dass er sich mit verdrießlichem Gesicht von ihr abwandte. Ihr Magen verkrampfte sich noch mehr – diesmal nicht ob ihres Ekels, sondern ob des bohrenden Verdachts, dass ihr gerade ein schrecklicher Fehler unterlaufen war, dass sie sich selbst ins Unglück gestürzt hatte. Sie hatte nicht gedacht, dass er sich von ihren schrillen Worten tatsächlich zurückweisen ließ, und war nun, da sie nicht mehr in sein Gesicht schauen musste, nicht erleichtert darob, sondern ängstlich.
»Ich nörgele nicht, ich flehe Euch an!«, versuchte sie, es gutzumachen. »Ich... ich bitte Euch um Eure Hilfe! Helft mir heimzukehren!«
Er lachte, nicht länger spöttisch, sondern freudlos.
»Du bist also eine Unfreie, dein Herr ist tot... ich habe dich gefunden. Nach den Gesetzen unseres Landes gehörst du mir.«
»Aber...«
»Woher du stammst, geht mich nichts an. Ich will nur eines wissen: Bist du bereit, dich erkenntlich zu zeigen, wenn ich dich in einem warmen Bett schlafen lasse, dir weiches Brot zu essen gebe, dich in edle Gewänder kleide – oder nicht?«
Er sprach nun nüchtern, bereit, ihr die schrillen Worte zu vergeben, wenn sie nur einsah, dass es sich lohnte, dem Tauschgeschäft zuzustimmen. Sie errötete, weil es so offensichtlich war, was jenes beinhaltete, und weil sie so wenig in die Waagschalezu werfen hatte, dass er sich weder anstrengte, ihr zu schmeicheln noch, ihr Gewalt anzutun.
»Aber...«, setzte Bathildis an und konnte es kaum fassen, dass er nicht einfach über sie herfiel. »Aber...«
»Also Mädchen – wirst du zu mir freundlich sein, wenn ich bei dir liegen will?«, fragte er.
Sie zögerte. Er lächelte grimmig, »’s ist nicht meine Art, die Dinge zu erzwingen«, sprach er da schon, noch ehe sie eine Entscheidung fällen konnte.
»Ich bin einem anderen Mann versprochen«, wandte sie kläglich ein.
»Nun, hier ist er nicht, Sklavenmädchen«, gab er zurück. »Raus aus meinem Bett!«
Ungestüm zog er an jener Decke, die ihren Leib bedeckte. Mit dem dünnen Seidenkleidchen fühlte sie sich nackt, doch er machte keine Anstalten, den zusammengekrümmten Leib, den er vor kurzem noch gewaschen hatte, ein weiteres Mal lustvoll zu begaffen. Er zog sie am Ellbogen über die Bettkante und ließ sie von dort auf den Boden plumpsen. Ein stechender Schmerz fuhr durch ihren Leib, als wäre mehr als nur ein Knochen gebrochen.
Keuchend rappelte sie sich auf. Er sah sie nicht böse an, auch nicht verbittert – nur mit gefurchter Stirne, weil er unsinnige Aufmerksamkeit an sie verschwendet hatte, und verständnislos angesichts ihrer Dummheit.
Bathildis wusste nicht, wie ihr geschah.
Eine Weile hatte sie dem Fremden ratlos nachgestarrt, dann war sie in dem dünnen Kleid vom Gemach des Herrn in einen langen Saal gelaufen, wo es finster
Weitere Kostenlose Bücher