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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Rauchschwaden wie dort, jedoch nicht hölzern und feucht. Sie döste fort – und erwachte von einem Plätschern. Dunkelheit umschloss sie – und zugleich fast unerträgliche Wärme.
    Ich kann unmöglich im Wasser liegen, dachte sie und wähnte sich zurück im Schiffsbauch der Friesen, wo es gleichfalls so heiß gewesen war.
    »Aidan!«, schrie sie. »Aidan!«
    Er trat zu ihr, zumindest hielt sie den Mann im Fieberwahn für den Verlobten, doch sein Gesicht war immer noch ein schwarzes Loch.
    Erneut sprach eine Stimme in fremder Sprache zu ihr, und diesmal konnte sie die Wörter übersetzen.
    »Ich helfe dir, Mädchen«, sprach die Stimme.
    Sie klang angenehm. Weit schwieriger war’s, die Hände zu ertragen, die zu der Stimme gehörten. Sie spürte sie überall, als gehörten sie einer Spinne, welche sechs statt zwei besitzt. Obendrein waren die Hände schwielig und rau – waren sie auch krätzig und rot wie die von Sicho?
    Bathildis wand sich, und wieder war ihr, als würde sie ein Plätschern hören. Konnte es sein, dass sie nicht in einem Raum lag, sondern in einem See, viel wärmer, ja heißer als alle Seen, die Gott auf seiner Erde geschaffen hatte?
    Die Hände streichelten und kneteten; die Haut tat weh, als würde sie unter ihnen zerreißen. Nicht!, wollte sie schreien, doch das Gewicht der feuchten Haare zog ihren Kopf nach hinten, und alsbald versank sie wieder hinter dem dicken, schweren Tuch der Ohnmacht.
    Als sie erwachte, war es nicht mehr feucht, und kein Wasser plätscherte. Ihr Geist, bislang flackernd wie jetzo ihre Lider, klärte sich. Viel deutlicher als in den letzen Stunden – oder waren es Tage? – erkannte sie, wo sie war: In einem großen Raum, dessen Boden aus gestampftem Lehm mit Teppichen bedeckt war; die hölzernen Säulen, die das Bett umgaben, in dem sie lag, waren mit kunstvollen Schnitzereien versehen. Die Fensterluken waren mit dickem Gebälk verstellt, das keine Ritzen hatte. Licht kam einzig von der Feuerstelle, in der es rötlich prasselte.
    Ein Mann stand davor, das Gesicht so mangelhaft beleuchtet, dass Bathildis nur Schatten erkannte. Er schien an ihrem schnellen Atem zu bemerken, dass sie wieder zu sich gekommen war, und drehte sich um.
    »Wer bist du?«, stellte er jene Frage, die auch ihr als erste auf den Lippen lag.
    Bathildis sammelte ihre Gedanken. Wiewohl ihr Kopf so schwer war, dass sie ihn kaum heben konnte und das Bild manchmal vor ihren geschwächten Augen verschwamm, wusste sie, wie dringendratsam es war, möglichst schnell möglichst viel zu erfassen. Noch während sie die Antwort hinauszögerte, musterte sie den Fremden. Seine Miene war merkwürdig zerrissen – ein steifes Lächeln lag um seinen Mund, als wäre er ehrlich erfreut, dass er mit ihr sprechen könnte. Seine Augen hingegen waren umwölkt, von Kopfschmerz oder Müdigkeit und ein wenig von Überdruss.
    Am deutlichsten fiel ihr seine edle Kleidung auf, die sauber war und ohne Risse. Die braunen Hosen reichten bis zu den Knöcheln. Die Schuhe hatten glänzende Riemen, die mit den Wadenbinden verknüpft waren, welche wiederum bis zu den Knien geschnürt wurden. Über den Hosen trug er eine knielange Tunika, die mit glänzender Borte verziert und von einem ledernen Gürtel geschnürt wurde. An diesem wiederum hing eine kleine Tasche, gleichfalls aus Leder. Der ärmellose Überwurf, der an der rechten Schulter mit einer silbernen Fibel zusammengehalten wurde, war von einem leuchtenden Blau.
    Bathildis’ Herz, eben noch verlangsamt vom langen Liegen, begann, unrhythmisch zu pochen. Der Fremde musste von hoher Stellung sein und reich, wenn er solch edle Kleidung trug, obendrein gekämmte Haare und einen sorgfältig beschnittenen Bart hatte, in dessen rötliches Braun sich manch graues Haar mischte. Umso erstaunlicher war, dass er bei einem kranken, namenlosen Mädchen hockte und wartete, dass es wieder zu sich käme.
    »Also, wer bist du!«, drängte er, weil sie sich nicht zum Reden überwinden konnte. »Du bist zu groß gewachsen für ein Bauernmädchen. Und deine Hände zeigen keine Spuren der Feldarbeit.«
    Seine Stimme war freundlich, doch die Worte kamen so abgehackt, als würde er Befehle aussprechen – was er offenbar gewohnt war.
    Unwillkürlich versteckte Bathildis die Hände unter der Decke, beschämt, dass er sie ohne ihren Willen inspiziert hatte, ja, dass er ihre Gestalt gemustert hatte.
    »Verstehst du mich?«, fragte er, weil sie immer noch nichts sagte. »Als wir dich fanden, war mir,

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