Die Regentin (German Edition)
bislang stets geschlafen hatte. So machte sie sich in Richtung der Wirtschaftsgebäude auf, kam an jenem Saal vorbei, in dem sie dem König begegnet war und vor dem noch manches Schuhwerk lag – von jenen Gästen stammend, die bis tief in die Nacht hinein feiern würden. Sie wollte von niemandem gesehen werden, eilte durch den roten Dunst und erreichte schließlich das Küchengebäude. Hier freilich stieß sie nicht nur auf die übrigen Sklavinnen.
Sie spürte den Blick auf sich ruhen, noch ehe sie die andere sah, und als sie sich umdrehte, stand erneut Itta vor ihr, die wütende Angreiferin von vorhin.
Bathildis zuckte zusammen. Schon wartete sie auf eine hasserfüllte Tirade oder neuerliche Attacke und war umso erstaunter, als Itta nicht aus verkniffenem Mund zu keifen begann, sondern bei Bathildis’ Anblick die Hände vors Gesicht schlug und zu heulen begann, nicht leise schluchzend, wie es gewöhnlich hochgeborene Damen taten, sondern laut und kläglich, als würde sie von der Verzweiflung zerrissen.
Bathildis wusste nicht ein noch aus. Beim König weilend war ihr selbst zum Weinen zumute gewesen, und auch wenn die Begegnung mit Ebroin all ihre Tränen hatte trocknen lassen, so fühlte sie sich jetzo zu zermürbt, um diese Laute zu ertragen.
»Hör auf!«, zischte sie ärgerlich. »Hör auf!«
Der entschiedene Ton brachte Itta zum Innehalten. Sie blickte mit geröteten Augen hoch und stierte Bathildis an, so ausdruckslos, als wüsste sie nicht, wen sie vor sich hatte, ja, als hätte sie vergessen, dass sie eben noch genau dieses Mädchen hatte töten wollen.
»Meine Mutter wäre so froh gewesen, wäre ich des Königs Gattingeworden, und mein Vater auch. Verstehst du nicht, was das bedeutet hätte? Sie wären einen Tag lang in ihrem Trachten geeint gewesen und hätten ihren Zank vergessen!«, rief sie klagend.
Bathildis schüttelte unbehaglich den Kopf. »Itta, nicht doch... ich habe deine Pläne nicht durchkreuzt... es ist auch nichts geschehen, was...«
Itta hob unwirsch die Hände.
»Stets halten sie einander vor, was der eine dem anderen schuldig bleibt!«, sprach sie hoffnungslos. »Es war nie Frieden zwischen ihnen, bis auf jene kurze Stunde, da sie beieinanderhockten und über mich sprachen und sich schnell einig waren, dass die Zukunft unserer Familie noch gefestigter sei, wenn ich den König zum Gatten bekomme...«
Sie setzte sich auf eine der Bänke, die ihr unter normalen Umständen gewiss zu dreckig erschienen wären, stützte den Kopf in die Hände und fuhr fort, bitterlich zu heulen.
»Itta...«, begann Bathildis verlegen.
»Itta«, setzte sie erneut an. »Itta... warum soll der König nicht danach trachten, dich zu freien? Ich verspreche auch: Ich erzähle niemandem, was du heute getan hast und...«
Itta fuhr auf, mit nassem Gesicht und flackerndem Blick. »Ich hab’s in Ebroins Augen gesehen! Ich hab’s genau gesehen! Er sah dich an und wusste, dass du ihm nützlich sein könntest! Und ich... ich habe ihm jetzt auch noch einen Trumpf in die Hände gespielt, als ich mich derart gehen ließ...«
Sie seufzte lang und tief. »Mein Bruder Leudesius deucht ihn gefährlich. Du aber hast keine Geschwister, die Ebroin jemals gefährlich werden könnten. Du kommst wie er aus dem... Nichts.«
»Eben«, beschwor Bathildis sie eindringlich, aber sie vermochte Itta nicht in die Augen zu sehen. »Eben! Du sagst es doch! Ich bin nur eine Sklavin!«
»Ach, tatsächlich?«, jäh klang Ittas Stimme schneidend. »Das war des Königs Mutter auch!«
Sie verzog ihren Mund zu einem unschönen Lächeln.
Bathildis konnte nur ahnen, was sie ihr an bösen Worten an den Kopf hätte werfen wollen, wenn nicht just in diesem Augenblick Schritte erklungen wären. Ittas Lächeln schwand; sie presste die Lippen zusammen und wandte sich ab, indessen Bathildis hilflos mit den Händen rang.
Gertrude war zu ihnen getreten. Ihre Stimme klang ausdruckslos wie stets.
»Du bist von allen Diensten befreit, Bathildis«, plapperte sie. »Der König hat’s entschieden. Ich soll dir noch mehr Kleider von mir geben... und ab dieser Nacht sollst du mit mir und Itta in der gleichen Kammer schlafen.«
Bathildis streckte sich wohlig aus. Im Kloster hatte sie auf einem Strohsack geschlafen, nun bettete sie den Kopf auf ein Kissen, welches mit den Daunen der Eiderente gefüllt war.
Und sie hatte ein Bett ganz für sich allein, denn Itta hatte wütend entschieden, lieber bei der kranken Mutter zu liegen als bei einer Sklavin,
Weitere Kostenlose Bücher