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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Sklavin war, seinem Willen ausgeliefert – dem Willen eines Verrückten?
    Sie wusste nicht, was sie tun sollte, da sprach er schon weiter, diesmal wieder nüchtern. »Willebad ist vom Schlachtfeld geflohen – und wurde hinterrücks ermordet. Flachoad überlebte ihn nicht lange, von seinen Feinden gemeuchelt. Seit ich denken kann, fließt um mich Blut. Schon als Kind habe ich mich gefragt, ob ich wie mein Vater im Bett werde sterben dürfen – oder erstochen, erwürgt, erschlagen, ertränkt?«
    Er lachte bitter auf, beinahe klang es so kreischend wie bei Ebroin. Nicht wieder hatte dieser mit Bathildis gesprochen seit jener Nacht, jedoch war er manches Mal anzüglich grinsend an ihr vorbeigehuscht.
    »Nun gut«, Chlodwig hörte auf, sich die Schläfe zu reiben. »Wir bleiben nicht mehr lange in Burgund. Nächste Woche kehren wir nach Paris zurück. Es ist mir die liebste Stadt, und bin ich dir dort nicht auch zum ersten Mal begegnet? Könnte es eine schönere Heimat geben? Ich mag das Land flach, und ich mag, wenn Wasser um mich fließt.«
    »Gewiss«, gab Bathildis zurück. Dass seine Stimme an Heftigkeit verlor, machte es leichter, ihr Mitleid zu beschwichtigen, den Wunsch, ihn von seinem Wahn zu erlösen. »Gewiss... aberwisst Ihr, mein König, dass Eure Heimat nicht auch die meine ist?«, fragte sie. »Könnt Ihr Euch entsinnen, was ich Euch über mich erzählt habe – dass ich von weither komme... und nie aufgehört habe, mich nach jenem Land zu sehnen?«
    Verwundert starrte er sie an. Kein einziges Mal hatte er nach ihrem Leben gefragt, hatten sie über ihr Geschick gesprochen. Ihm reichte die Gewissheit ihrer vermeintlichen Stärke. Er wollte nicht wissen, woher sie diese nahm.
    »Tatsächlich?«, fragte er.
    Trotz der Verwunderung deuchte sie sein Blick klar. Vielleicht hatte sie nur diesen kurzen Moment, da sie in ihn dringen konnte – und sie war entschlossen, ihn zu nützen.
    »Als mich die Friesen aus Britannien entführt haben, musste ich alles zurücklassen, was mir lieb war. In Wahrheit bin ich eine Fürstentochter, keine Sklavin.«
    Er lächelte dümmlich, gleich so, als wollte er gegenüber einem, dessen Sprache er nicht verstand, zumindest höflich sein.
    »Was willst du mir damit sagen, Bathildis?«, fragte er.
    Sie zuckte beim Klang ihres Namens zusammen. Sie war sich nicht sicher gewesen, ob er ihn überhaupt kannte.
    »Ihr seid mir doch so wohl gesonnen«, setzte sie vorsichtig an. »Werdet... werdet Ihr mir die Freiheit schenken? Werdet Ihr mir erlauben, in meine Heimat zurückzukehren?«
    Sie musste lange auf die Antwort warten. Der Winter, anfangs weiß und frostig, wurde matschig. Zum ersten Schnee kam kein neuer hinzu, doch die Winde waren zu frisch, um ihn zu schmelzen. Der Dreck des Hofs kratzte an seinen Rändern und färbte ihn gelb.
    Gerne hätte Bathildis nun darauf verzichtet, im Freien herumzustapfen, doch inzwischen war es der König, der sie drängte, an der Gewohnheit festzuhalten, desgleichen, wie er das unmäßige Speisen mehr und mehr unterließ.
    Das alles tat ihm gut. Der Winter, der sämtliche anderen Mit-gliederdes Hofstaats auszehrte und krank machte, verlieh ihm kantige Züge, einen schneidenden Schritt und wache Augen. Nur wenn Bathildis wieder davon sprach, heimkehren zu wollen, dann ward sein Blick verhangen wie von einer fetten, weißen Schicht. Dümmlich beglotzte er sie dann, ohne etwas zu sagen, aber sie fühlte sich dennoch ermutigt, weil er ihr zumindest nicht widersprach. Nie gab er zu verstehen, dass sie sich den Gedanken aus dem Kopf schlagen müsste. Vielleicht, so hoffte sie, brauchte er nur Zeit, um sich damit abzufinden.
    Diese wollte sie ihm gerne geben und seinen Widerstand mit Vorsicht bröckeln lassen. Mit der Zeit vermied sie es, ihren Wunsch direkt zu benennen. Stattdessen deutete sie ihn nur an, indem sie ihm erzählte – von ihrer Kindheit im Kloster und was sie dort gelernt hatte, von der gestrengen Nonne Godiva und von der ängstlichen Hereswith, ihrer gleichaltrigen Freundin. Er lauschte lächelnd, was sie ermutigte, schneller zu sprechen, und was dabei herauskam, verwunderte sie oft selbst. Sie hatte nicht gewusst, derart viele Erinnerungen an ihre Vergangenheit zu haben. In ihrer schlimmsten Zeit hatte sie sich stets an Aidans Namen festgehalten – nie jedoch Ereignisse aus der Kindheit heraufbeschworen.
    Manchmal zweifelte sie: War es überhaupt die eigene Geschichte, die sie da erzählte, oder eine ausgedachte, die allein den Zweck

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