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Die Reiter der Sarmaten

Die Reiter der Sarmaten

Titel: Die Reiter der Sarmaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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es.« Das eine große verwegene Geheimnis seines farblosen Lebens, wie Natalis es genannt hatte, war nicht einmal ein Geheimnis gewesen. Der Schock der Erkenntnis traf ihn hart. »Hat er Euch gesagt, daß ich Christ bin?«
    »Ja.«
    »Oh. Und hattet Ihr vorher schon etwas über uns gehört?«
    »Nein. Aber ich habe vom Prokurator Natalis erfahren, daß ihr eine illegale Sekte seid.«
    »Es sind alles Lügen, was man über uns erzählt«, erklärte Eukairios verbittert. »Schändliche Lügen. Menschen sind deswegen gestorben, man hat sie gefoltert, bis kein Fleckchen heiles Fleisch mehr an ihrem Körper war, wo man die Eisen ansetzen konnte. Alles wegen dieser schändlichen Lügen. Wir halten nicht« – er schaute hoch und sah mir herausfordernd in die Augen –, »wir halten keine inzestuösen Orgien ab, bei denen wir Menschenfleisch essen. Es ist uns verboten, Blut zu vergießen; unsere Religion verlangt, daß wir unsere Feinde lieben, die uns verfolgen. Wenn ich die Freiheit hätte, selbst über mich zu entscheiden, würde mein Glaube mir nicht erlauben, für die reguläre Armee zu arbeiten, geschweige denn für einen Mann, der die Zügel seiner Pferde mit den Skalpen getöteter Feinde schmückt und aus einem römischen Schädel trinkt. Gott helfe mir.«
    »Ich habe dieses Gefäß allerdings nicht mehr«, sagte ich. Seine herausfordernde Sprache wunderte mich um so mehr, als er vorher nie auch nur andeutungsweise die Skalpe oder die Schädelgeschichte erwähnt hatte. In Bononia war er mir stets als ein zurückhaltender, respektvoll höflicher Mensch erschienen, und seine Tüchtigkeit hatte in unsere Beziehung sogar eine freundliche Wärme gebracht.
    »Ich werde von dir nicht verlangen, daß du Blut vergießt, Eukairios, oder irgend etwas tust, was dein Glaube verbietet. Ich will von dir nichts anderes, als daß du Briefe schreibst.«
    Wieder rieb er sich über die Augen, dann gab er es auf, die Tränen zu unterdrücken, und vergrub sein Gesicht in den Händen.
    »Gott helfe mir«, sagte er mit von Tränen erstickter Stimme. »Ich dachte, ich könnte in Bononia bleiben.«
    »Bist du dort geboren?« fragte ich, um ihn abzulenken, aber auch, weil ich mißtrauisch geworden war und das Gefühl hatte, ich sollte mehr über ihn wissen. »Dein Name ist nicht lateinisch.«
    Er verstand, worauf meine Frage abzielte. »Mein Name ist griechisch, ich bin es nicht«, antwortete er mit unsicherer Stimme. »Viele Angehörige der oberen Klassen sind der Meinung, daß es ihrem Haushalt eine zusätzliche Note von Eleganz verleiht, wenn sie ihren Sklaven griechische Namen geben. Meine Mutter war Köchin in einem herrschaftlichen Haus auf dem Lande, dreißig Meilen von Bononia entfernt. Mein Herr ließ mich erziehen und verkaufte mich, sobald ich genug gelernt hatte, um einen guten Preis zu erzielen. Damals war ich vierzehn Jahre alt. Die Kanzlei des Prokurators kaufte mich; das war das einzige Mal, daß ich einen neuen Besitzer bekam – bis jetzt. Ich habe nicht erwartet, noch einmal verkauft – oder weggegeben – zu werden.«
    Seine Worte waren vor Tränen kaum noch zu verstehen. Er riß sich zusammen. »Ich habe meine übrigen Kleider in Bononia und ein paar Bücher, alles, was ich besitze. Ich habe mich von niemandem verabschiedet. Ich nahm an, wir würden morgen zurückkehren.«
    »Dann fahre zurück, hole deine Sachen, verabschiede dich von deinen Freunden, und komm dann zurück«, sagte ich. »Ich werde Valerius Natalis bitten, daß er dich mit dem Kurierschiff schickt. Du weißt ja, daß wir die Vorräte für den Marsch nach Eburacum verladen und eine Menge sonstiger Dinge vorbereiten müssen; wir werden Dubris nicht vor zwei weiteren Tagen verlassen. Das gibt dir genügend Zeit.«
    »Befürchtet Ihr nicht, daß ich entlaufe, wenn ich heimkomme?«
    Der Gedanke war mir nicht gekommen: »Ich kenne mich mit Sklaven nicht aus«, sagte ich. »Ich habe nie welche besessen. Würdest du entlaufen?«
    »Es wäre gegen meine Religion«, antwortete er, mich ansehend. »Wenn Ihr keine Sklaven besitzt und keinen Fremden in Euren Wagen aufnehmt, was wollt Ihr mit mir tun?«
    Ich seufzte. »Ich werde dich wo hl in meinen Wagen nehmen müssen, zumindest während des Marsches, obwohl es gegen unsere Gewohnheiten verstößt«, sagte ich zögernd. Ich stellte mir vor, was Arshak und Gatalas und was meine eigenen Männer davon halten würden. Unterschwellig quälte mich immer noch der entsetzliche Gedanke, die Römer könnten es schaffen,

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