Die Reiter der Sarmaten
Schriftzeichen, aber die Anordnung der Linien schien eine Bedeutung zu haben.
»Was ist es?« fragte ich und nahm das Bündel auf, um die Rute, die noch mit den anderen durch die blutrote Kordel verbunden war, genauer anzusehen. Dieses Bündel schwärzlicher Ruten, das in meiner Hand vibrierte, hatte etwas Unheimliches. In ihm schien etwas Bedrohendes zu lauern, etwas wie ein übernatürliches Verhängnis, etwas, das jenseits alles dessen war, was dem Verstand zugänglich ist.
»Gatalas sagte, daß der Bote, der dieses Bündel gebracht hatte, ihm den Namen eines hier lebenden Mannes gegeben hat, der die Zeichen deuten könnte«, fuhr Siyavak flüsternd fort. »Und er sagte, er habe die Rute dem Mann gezeigt, und der habe die Zeichen gelesen, als wenn sie eine Schrift wären. ›Sieh dich vor‹, bedeutete es, ›die Römer haben die Geduld verloren. Du wirst festgenommen werden, und Victor wird deine Stelle einnehmen.‹«
Ich sah den Tribun an, der näher gekommen war, sich über die Ruten gebeugt hatte und sie verwirrt und verständnislos anschaute. Offensichtlich hatte er keine Ahnung, was sie bedeuteten.
»Habt Ihr sie schon früher gesehen?« fragte ich ihn.
Er schüttelte den Kopf. »Sie sehen aus wie die Weissagungsruten, die ihr verwendet, um den Willen der Götter zu erforschen«, sagte er. »Warum sind sie so wichtig?«
Ich erklärte es und zeigte ihm die Rute mit den Markierungen. Ein Vorhang schien sich plötzlich hinter seinem Gesicht zu schließen. »Großer Jupiter!« flüsterte er.
»Was ist das?« fragte ich.
»Es sind keltische Runenzeichen«, antwortete er. »Ich kann sie nicht lesen.«
Und er wollte sie nicht ansehen. Aber er hatte etwas verstanden, was uns verborgen war.
»Jemand von einem der britannischen Stämme muß das geschickt haben«, fuhr er fort. »Wahrscheinlich war es der Versuch, durch Provozieren einer Meuterei die Aufmerksamkeit unserer Truppen abzulenken, um ungehindert in unser Land einfallen zu können.«
»Hat Gatalas dies den Römern gezeigt?« fragte ich Siyavak.
Er lehnte sich zurück und sah Victor scharf an. »Dies hat er ihnen nicht gezeigt«, sagte er, ins Lateinische wechselnd, und jetzt nicht an mich, sondern an Victor gewandt. »Nein. Er ging jedoch zu Euch und fragte, was Ihr mit dem Kommando des Drachen plantet.«
»Ich verstand nicht, worauf die Frage abzielte«, sagte Victor. »Ich nahm an, er suche nur wieder einen Grund zum Streiten.«
»Ihr sagtet ihm, es sei einmal geplant gewesen, daß Ihr an seiner Stelle Kommandeur werden solltet.«
»Das habe ich gesagt, weil ich dachte, er wüßte es! Und ich habe hinzugefügt, daß der Plan aufgegeben worden war!«
»Wie konnte jemand Euch glauben, so wie die Dinge hier standen?« Siyavak wandte sich erneut Arshak zu. »Wir nahmen an, daß die Botschaft von dir käme, Fürst Arshak, daß du in Eburacum etwas gehört hättest.«
»Nein«, erwiderte Arshak. Er nahm das Bündel und löste die Rute aus der Schlinge; dann drehte er sie in den Händen, um sie zu prüfen. Er sah aus, als ob der Anblick ihn erschreckte. »Nein, für mich gab es in Eburacum keine Möglichkeit, irgend etwas zu schicken. Und die Botschaft war falsch.«
»Wer war der Bote, der es gebracht hat?« fragte ich. »Und wer hat die Zeichen auf der Rute gedeutet?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Siyavak. »Unser Fürst hat es uns nicht gesagt.« Er sah mich düster an. »Dann ist er also für nichts gestorben?«
»Nein«, antwortete ich. »Er ist für eine Lüge gestorben.«
»Wir werden ihn rächen«, sagte Siyavak, und seine Augen glühten wie brennende Kohlen. »Marha! Wer immer ihm dies geschickt hat, hat ihn ermordet, so sicher, als wenn er ihm Gift geschickt hätte. Wir werden unseren Fürsten Gatalas rächen!«
»Dafür müßtet Ihr mit den Römern zusammenarbeiten«, sagte ich.
Er sah Victor an; sie alle sahen Victor an. »Dann werden wir auch das tun«, sagte Siyavak zornig.
Als ich am nächsten Morgen aufbrach, hatten sie sich mit einem gemeinsamen Kommando von Siyavak und Victor einverstanden erklärt, und sie bereiteten das Opfer für die Seelen ihres Fürsten und seiner Leibwächter vor, die für eine Lüge in der Schlacht gefallen waren. Die Atmosphäre war noch immer gespannt, aber der Haß wurde durch das gesetzte Ziel verdrängt. Ich hatte die Hoffnung, wenn sie von Condercum fort waren, könnten sie vielleicht einen Weg finden, glücklich zu werden.
Victor blieb in Condercum, um gemeinsam mit Siyavak das
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