Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
geriete sie in ihre Gewalt. Neben sich hörte sie Bohumir atmen, seine Nähe beruhigte sie, verhinderte, dass sie aufsprang und kopflos die Flucht ergriff.
Ein Ast knackte, Rebekka hob den Kopf. Noch bevor sie verstand, was vor sich ging, sank ein fremder Körper mit gespaltenem Schädel vor ihr zu Boden. Aus dem Kopf des Feindes quollen Blut und Gehirnmasse, sie spürte Übelkeit aufsteigen und wandte den Blick ab. Mühsam unterdrückte sie den Brechreiz, atmete tief und sagte sich immer wieder, dass dieser Mann, den Bohumir getötet hatte, sie zuerst vergewaltigt und dann mit bloßen Händen erwürgt hätte.
Bohumir ging wieder neben ihr in die Hocke und säuberte sein Schwert. »Ihre Waffen sind stumpf, sie können nicht kämpfen. Sie sind verzweifelt. Habt Ihr den Mann gesehen, den ich getötet habe?«
»Nur kurz«, würgte Rebekka hervor.
»Er ist mager. Wahrscheinlich hat er seit Tagen nichts gegessen. Was für eine Schande! Aber jetzt hat er keine Sorgen mehr.« Er bekreuzigte sich. »Gott sei seiner Seele gnädig.«
»Gott sei seiner Seele gnädig«, murmelte Rebekka und schlug ebenfalls das Kreuz.
Wieder rief das Käuzchen. Einmal. Dann noch einmal. Bohumir stand auf, schob das Schwert in die Scheide und reichte Rebekka die Hand. »Es ist vorbei. Alle sind tot.« Er zog sie vorsichtig hoch. »Und wir leben. Es ist Gottes Wille.«
»Und es ist Euer Verdienst.«
Bohumir verzog den Mund. »Es war kein guter Kampf. Zuerst ein schlechter Hinterhalt und dann Gegner, die sich schlachten lassen wie Vieh.« Er schüttelte den Kopf.
Rebekka dachte an die Karte, an den rot geschriebenen Namen. Sie mussten ganz in der Nähe des markierten Gebiets sein. »Waren das die Männer dieses abtrünnigen Grafen?«, fragte sie.
»Schon möglich. Falls ja, sind sie nicht halb so gefährlich wie der Ruf, der ihnen vorauseilt.«
Nach und nach trafen die Ritter ihres Gefolges ein, alle waren mit Blut besudelt, aber niemand hatte eine ernsthafte Verletzung. Ein Packpferd war von einem Pfeil getroffen worden, aber es konnte mit einem Verband versorgt weiterlaufen.
Zuletzt kehrte Engelbert von der Hardenburg aus dem Unterholz zurück, blass wie der Tod. »Dieser verfluchte Abt Remigius!«, stieß er atemlos hervor. »Er steckt hinter diesem Überfall!«
»Remigius?«, fragte Bohumir mit zusammengekniffenen Augen. »Der Busenfreund von Fürstabt Fulbach? Was hat dieser Kuttenträger mit Räuberbanden zu tun?«
Engelbert schnitt eine finstere Grimasse. »Burg Mesenice liegt hier ganz in der Nähe. Der Burgherr heißt Otto von Wispitz, er ist ein Vasall von Abt Remigius.«
»Und deshalb glaubt Ihr …?« Bohumir fuhr sich mit der Hand über die Stirn, sodass ein Streifen Blut des getöteten Räubers über seinen Brauen haften blieb.
»Einer der Männer, die uns überfallen haben, hat seine Seele erleichtert, bevor er starb«, erklärte Engelbert. »Sie waren im Auftrag von Wispitz unterwegs, um Beute zu machen. Seine Geldschatulle ist leer. Er schuldet dem Abt Geld – und dem König.«
»Beute machen?«, fragte Bohumir skeptisch. »Warum haben sie dann ausgerechnet uns überfallen und nicht einen Händlerzug, der auf der Landstraße unterwegs ist? Das war ein ziemlich großes Wagnis mit geringer Aussicht auf Beute.« Er spuckte auf den Boden.
»Mag sein«, stimmte der Ordensritter nachdenklich zu. »Wir sollten Otto von Wispitz und seiner Burg Mesenice einen Besuch abstatten. Schon allein, um herauszufinden, was wirklich hinter dem Überfall steckt.«
Bohumir straffte die Schultern. »Worauf warten wir?«
»Ich dachte, wir müssten so schnell wie es geht nach Znaim?«, schaltete Rebekka sich ein.
»Das ist richtig«, stimmte Engelbert zu. »Aber diese Gelegenheit sollten wir nicht verstreichen lassen. Burg Mesenice ist das Einfallstor nach Mittelböhmen und Mähren. Nun haben wir vielleicht endlich einen Grund, sie Abt Remigius rechtmäßig abzunehmen, denn das Gesetz ächtet Raubritter. Was er getan hat, ist ein Verstoß gegen den Landfrieden. Wenn der Abt nicht auf seinen Vasallen aufpasst, kostet ihn das seine Burg. Er kann froh sein, dass es ihn nicht das Leben kostet.«
»Ich rufe die Männer zusammen«, sagte Bohumir.
»Nein! Wartet!«, rief Engelbert plötzlich erregt. »Wir können nicht nach Mesenice reiten. Und auch nicht nach Znaim.« Er blickte so bestürzt drein, als habe er soeben erfahren, dass der König ermordet in seinem Blut läge. »Die Karte. Sie ist weg!«
Bohumir stöhnte auf. »Wie konnte
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