Die Rettung
wortlos ab und verließ den Raum. Robin folgte ihm.
»Es war einen Versuch wert, Dylan.« Darauf gab es nichts zu sagen, also ging Dylan schweigend neben dem Freund zum Tor. Doch Robin fuhr fort: »Du bist ein großes Risiko eingegangen.«
»Wir sind ein großes Risiko eingegangen.«
Robin dachte einen Augenblick darüber nach, dann nickteer. »Aye. Jeder weiß das, und niemand wird uns Vorwürfe machen, weil wir nichts erreicht haben.«
Dylan schüttelte den Kopf. »Ganz vergeblich war dieser Besuch nicht. Der Hanswurst da drinnen ist jetzt gewarnt; er weiß, dass die lustigen Zeiten vorbei sind. Zwar wird er seine Männer nicht bestrafen, aber er wird ihnen bestimmt derartige Vergnügungen untersagen. Vielleicht haben wir die nächsten Wochen oder gar Monate Ruhe vor den Engländern. Gute Arbeit, Robin.«
Sein Freund grinste.
Vor den Toren der Garnison löste Dylan den Finger von der Nadel und untersuchte seinen blutenden Handballen. Von der Nadel schaute kaum noch etwas hervor. Robin folgte seinem Blick und wandte sich dann schaudernd ab. Dylan versuchte sich die Nadel aus dem Fleisch zu ziehen, doch der dünne Stahl war schlüpfrig vor Blut und entglitt seinen Fingern immer wieder. Er bekam die Nadel einfach nicht zu packen. »Verdammter Mist«, murmelte er.
»Was tut Sarah denn hier?«, wunderte sich Robin plötzlich. Dylan blickte auf.
Sarah kam mit schnellen Schritten den Pfad entlang, der vom Dorf zur Garnison führte. Die Männer vertraten ihr eilig den Weg, bevor sie dem Tor und dem bewaffneten Wachposten zu nahe kommen konnte.
»Was willst du hier?«
»Mich vergewissern, dass alles in Ordnung ist. Hätte man euch beide verhaftet, wären wir erst Tage später davon unterrichtet worden - wenn sich die Engländer überhaupt die Mühe gemacht hätten, uns Bescheid zu geben.« Ihr Blick fiel auf Dylans blutende Hand, und sie umschloss sie mit ihren beiden. »Och! Was hast du denn da angestellt?«
Dylan wollte ihr seine Hand entziehen, doch sie hielt sie fest. »Nicht weiter schlimm«, beruhigte er sie. »Aber ich muss mir Tormods Zange ausborgen, sonst kriege ich das Ding nicht raus.«
Ohne ein weiteres Wort beugte sich Sarah über seine Hand und nahm die Nadel zwischen die Zähne. Ein kurzer Ruck, ein scharfer Schmerz, dann nahm sie sie aus dem Mund und wischte sich mit ihrem Umhang Blut von der Lippe, bevor sie die Nadel säuberte.
Ihre Stimme klang tadelnd. »Ich hoffe doch sehr, dass du einen guten Grund hattest, so etwas zu tun. Ich werde Nana die Nadel gleich zurückbringen.« Vorsichtig befreite sie das Nadelöhr mit dem Fingernagel von angetrocknetem Blut. Dabei wirkte sie so gelassen, als würde sie lediglich Rost entfernen.
Dylan fand keine Worte. Er presste einen Finger gegen die kleine Wunde, um die Blutung zu stoppen, und streckte die andere Hand aus, um Sarah einen Tropfen Blut von der Wange zu tupfen.
Einen Moment lang sah sie so aus, als wolle sie etwas sagen, doch dann wandte sie sich ab, um ins Dorf zurückzugehen. »Danke«, stieß Dylan schließlich hervor.
Sarah drehte sich flüchtig zu ihm um. »Keine Ursache.«
Robin öffnete den Mund, um gleichfalls eine Bemerkimg zu machen, besann sich dann aber eines Besseren und schwieg. Dylan unterdrückte einen erleichterten Seufzer. Er wollte sich nicht schon wieder fragen lassen, warum er Sarah nicht heiratete, und gerade jetzt schon gar nicht.
11. Kapitel
Anfang April wurde das Wetter wärmer; der Winter war vorbei. Ranalds Schicksal war nicht in Vergessenheit geraten, noch immer murrten die Leute mehr oder weniger offen, die Sassunaich müssten für seinen Tod bezahlen, aber niemand unternahm etwas. Die Dragoner verschärften ihre Patrouillen, das Verhältnis zwischen Engländern und Schotten wurde immer gespannter, aber Dylan behielt in einem Punkt Recht: die willkürlichen Schikanen unterblieben. Anscheinend waren die Rotröcke doch nachdrücklich zur Vorsicht gemahnt worden.
Sarah kam immer noch jeden Tag mit ihren Söhnen zu Dylan, um seinen Haushalt zu versorgen. Langsam wurde sie zu einem festen Bestandteil seines Lebens. Ihre Gegenwart störte ihn längst nicht mehr so sehr wie anfangs. Ihm fiel auf, dass der waidwunde Ausdruck aus ihren Augen verschwunden war, und er hätte Sinann gerne gefragt, ob sie den Liebeszauber wieder aufgehoben hatte, wusste aber, dass die Frage sich erübrigte. Es stand nicht in Sinanns Macht, einen Zauber rückgängig zu machen - noch nicht einmal einen, den sie selbst verhängt hatte -,
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