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Die Richter des Königs (German Edition)

Die Richter des Königs (German Edition)

Titel: Die Richter des Königs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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Während seiner Zeit beim Heer hatten die täglichen Entbehrungen und Strapazen jede Empfindung von Schwäche abgetötet, bis sein Körper zu einem gehorsamen Werkzeug geworden war, das Schmerz, Hunger und Kälte ertragen konnte. Amorets Zärtlichkeiten, das üppige Essen und die weichen Betten hatten Breandáns abgestumpfte Nerven wieder mit Leben erfüllt. Er hatte gelernt, die Berührung streichelnder Hände wahrzunehmen und das wohlige Gefühl eines warmen, bequemen Lagers und eines satten Magens zu genießen. Doch diese Veränderungen brachten auch Nachteile mit sich. Früher hatte Breandán Kälte und Hunger nicht einmal gespürt, nun bemerkte er immer öfter, dass er fror, dass ihm der Magen knurrte oder sich seine Kehle vor Durst zusammenzog. Er wurde empfindlicher gegenüber Entbehrungen, und das beunruhigte ihn. Durch das süße Leben wurde er völlig verweichlicht. Und wenn ihn eines Tages die harte Wirklichkeit wieder einholte, würde er ihr nicht mehr gewachsen sein und elendig zugrunde gehen.
    Seine Oberarme mit den Händen reibend, um sich ein wenig zu wärmen, bog Breandán in den Strand ein und ging an den Stadtpalästen des Adels entlang, die sich mit ihren Gärten bis ans Themseufer erstreckten. Vor dem großen prachtvollen schwarz-weißen Fachwerkhaus angekommen, das der König seiner Mätresse überschrieben hatte, blieb der Ire stehen und verharrte einen Moment nachdenklich, bevor er seine Schritte in Richtung des Dienstboteneingangs lenkte. Lady St. Clair bemühte sich nicht allein um des Königs willen, die unstandesgemäße Liebschaft geheim zu halten. Sie fürchtete den Skandal am Hof, der einer Entdeckung unwillkürlich folgen würde und der sie Charles’ Gunst kosten konnte.
    Während Breandán das Haus durch die Hintertür betrat, um kein Aufsehen zu erregen, spürte er leichten Ärger in sich aufsteigen. Er nahm die Heimlichtuerei hin, doch zugleich verletzte sie seinen Stolz. Er mochte mit der Tochter eines Earl schlafen, aber er blieb ein Lakai, der von dem Wohlwollen anderer abhängig war. Er würde ihr nie auf gleicher Ebene begegnen können.
    Die Bediensteten, die im Haus ihren Verpflichtungen nachgingen, nahmen keine Notiz von dem schweigsamen Eindringling, doch während der Ire ins Obergeschoss hinaufstieg, hörte er sie hinter seinem Rücken tuscheln. Natürlich wussten sie Bescheid. Gewissermaßen war die Herrschaft auch immer ihrem Gesinde ausgeliefert, denn sie konnte nichts vor den neugierigen Augen der Dienstboten verbergen.
    Breandán zögerte einen Moment, bevor er das Kabinett betrat, das neben Amorets Schlafgemach lag. Sie saß vor dem Feuer des Kamins und bürstete ihr Haar. Ein mit Spitzen und duftigen Rüschen besetztes Hemd und der Morgenrock, den sie darüber trug, verbargen ihren unförmig gewordenen Leib und machten vergessen, dass ihre Niederkunft nun nicht mehr fern war. Als Amorets Blick auf den unerwarteten Besucher fiel, breitete sich ein freudiges Strahlen über ihr Gesicht.
    »Du bist schon da?«, rief sie aus und kam ihm entgegen, aufgrund ihrer Last allerdings nicht so leichtfüßig, wie sie wollte.
    Breandán betrachtete sie stumm, immer wieder erstaunt, wie glücklich es sie machte, ihn zu sehen. Er hatte nie verstanden, weshalb. Was hatte er ihr schon zu bieten? Er war weder ein besonders begabter Liebhaber, noch besaß er das Talent, geistreich zu plaudern. Er verstand nichts von Literatur oder Kunst, er wusste nicht, welche Stücke am Theater gespielt wurden, und kannte sich auch in der Musik nicht aus. Amoret ermunterte ihn, von seiner Heimat zu erzählen, und stellte ihm Fragen über sein früheres Leben. Doch die Erinnerungen an seine Vergangenheit waren oft so schmerzhaft, dass er nur Bruchstücke preisgab und sich zuweilen weigerte, überhaupt zu antworten. Irgendwann gab es Amoret auf, tiefer in ihn zu dringen, und akzeptierte fortan sein Schweigen. Doch bei Breandán blieb das Gefühl zurück, sie enttäuscht zu haben.
    Zur Begrüßung legte Amoret ihm die Hände auf die Arme. Und obwohl sie ihn nur sanft an sich drückte, zuckte er vor Schmerz zusammen.
    »Was ist mit dir?«, fragte sie besorgt, während sie ihn prüfend von Kopf bis Fuß musterte.
    »Nichts. Ich habe mir bei der Arbeit den Arm verstaucht.«
    »Lass mich sehen. Bitte!«
    Sie redete so lange auf ihn ein, bis er aufhörte, sich zu sträuben, und sie ihm das Hemd ausziehen konnte. Die Haut seines linken Arms war mit Abschürfungen bedeckt, Ellbogen und Handgelenk waren

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