Die Richter des Königs (German Edition)
braucht mich in der Werkstatt.«
Mühsam setzte Amoret sich im Bett auf und sah ihn forschend an. »Weshalb sagst du mir nicht, was dich bedrückt?«
»Es ist nichts«, log er. »Schlaf weiter. Du brauchst Ruhe.« Er küsste sie zum Abschied auf die Stirn, wie er es noch nie getan hatte, und ging davon.
Draußen vor dem Haus war alles ruhig. Die Dämmerung hatte gerade erst eingesetzt. Ohne sich umzublicken, ging Breandán schnellen Schrittes den Strand entlang, tief in Gedanken versunken und das Herz erfüllt von Bitterkeit. In seinem Rücken näherte sich der Hufschlag eines einzelnen Pferdes, doch er nahm keine Notiz davon, nicht einmal, als es neben ihm gezügelt wurde. Breandán sah erst auf, als eine zynische Stimme sagte: »Sieh an, der irische Galgenvogel. So begegnet man sich also wieder. Bist ja richtig aufgestiegen in der Welt. Ein gemeiner Strauchdieb wie du setzt dem König von England Hörner auf, welch eine Schande.«
Der Reiter war niemand anders als Sir John Deane.
Der rasende Zorn, der Breandán blind gemacht hatte, verebbte allmählich und ließ ihn wieder klar denken. Er ging den Strand entlang, instinktiv dem Weg folgend, den er jeden Morgen nahm. Ein stechender Schmerz in seinem linken Oberarm drang mit einem Mal in sein Bewusstsein. Als er den Kopf wandte, sah er, dass Blut den Ärmel seines Hemdes färbte. Zähneknirschend legte er die rechte Hand auf die Wunde, ohne im Schritt innezuhalten. Dabei wäre er beinahe mit einem Nachtwächter zusammengestoßen, der dösend auf seine Hellebarde gestützt auf der Straße stand.
»He Sir, alles in Ordnung? Ihr seid verletzt, scheint’s«, rief der Nachtwächter ihm nach.
»Es ist nichts. Ich kümmere mich schon selbst darum«, antwortete Breandán im Vorbeigehen. Er wollte nur noch so schnell wie möglich weg aus dieser Gegend.
Die Pforten des Ludgate wurden gerade von den Wachen geöffnet, als der Ire an der Stadtmauer eintraf. Unauffällig schlüpfte er unter dem Torbogen hindurch und rannte den Rest der Strecke zur Chirurgenstube. Es war noch niemand aufgestanden. Leise ging Breandán in die Küche und füllte an der Pumpe, die von einer Zisterne gespeist wurde, einen Eimer mit Wasser. Dann zog er sich das blutbeschmierte Leinenhemd aus, säuberte die Stichwunde an seinem Arm und wusch das Hemd, so gut es ging. Nachdem er es im Garten hinter dem Haus zum Trocknen auf eine Wäscheleine gehängt und seinen Arm notdürftig verbunden hatte, schlich der Ire in die Dachkammer hinauf und zog sich ein frisches Hemd über. John schlief noch tief und fest und bemerkte ihn nicht. Auf dem Weg nach unten traf Breandán auf den Jesuiten, der sich gerade Wasser zum Waschen holen wollte.
»Ah, Ihr seid schon da, mein Sohn. Geht es Euch gut?«, fragte Jeremy. »Ich hörte, Ihr habt Euch gestern bei einem Sturz den Arm verletzt. Ich würde mir das gerne mal ansehen.«
Doch der junge Mann wich wie vor einer drohenden Gefahr zurück und schüttelte abweisend den Kopf. »Nicht nötig, Pater. Es ist alles in Ordnung.«
Jeremy sah ihm an, dass er log.
»Mylord, es hat einen weiteren Mord gegeben«, rief Malory atemlos, als er Trelawneys Studierzimmer betrat. Dann musste er erst einmal nach Luft ringen, bevor er weitersprechen konnte, denn er war die ganze Chancery Lane entlanggerannt, als er die Neuigkeit erfahren hatte.
»Wer ist es diesmal?«, fragte Sir Orlando alarmiert.
»Ratsherr Deane.«
»Sir John Deane?«
»Ja, man hat seine Leiche in einem Hinterhof am Strand gefunden, mit seinem eigenen Degen aufgespießt. Ein Diener des anliegenden Hauses hatte kurz vorher einen Streit gehört. Und ein Nachtwächter, der in der Nähe Dienst tat, erinnerte sich, zu dieser Zeit einen dunkelhaarigen jungen Mann gesehen zu haben, der eine blutende Wunde am Arm hatte. Er schwört, dass es ein Ire war.«
»Ein Ire? Bei Christi Blut! Sag dem Kutscher, er soll sofort anspannen. Schnell, Malory, ich darf keine Zeit verlieren.«
Jeremy hatte vor einiger Zeit damit begonnen, Breandán auch in Latein zu unterrichten, wann immer er Gelegenheit dazu hatte. Und da er an diesem Vormittag keine Besorgung erledigen musste, bot er dem Iren an, den Unterricht fortzuführen. Doch er fand schnell bestätigt, was er schon den ganzen Morgen geahnt hatte. Breandán war nicht bei der Sache. Etwas Furchtbares schien ihn zu quälen, doch als der Priester danach fragte, weigerte er sich zu antworten. Zuerst vermutete Jeremy, dass es zwischen den Liebenden Streit gegeben hatte,
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