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Die Ringe der Macht

Die Ringe der Macht

Titel: Die Ringe der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst von Allwörden , Helmut W. Pesch
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Zweigen des Elbenhauses sang, wiegte ihn schließlich doch in einen traumlosen Schlaf.
    Gilfalas ruhte bis kurz vor Sonnenaufgang. Er spürte, wie ihn die Ruhe unter den Bäumen erfrischt hatte; nicht mehr lange, und er würde wieder ganz bei Kräften sein.
    Noch zwei Tage ritten sie von Dorf zu Dorf. Langsam machte sich Ungeduld in Gilfalas breit. Er verlor immer mehr den Sinn für seine Umgebung; auch seine Gefährten waren nicht die, die er sich wünschte. Er mühte sich jedoch, seinen Unwillen nicht allzu sehr zu zeigen. Es mochte der Zeitpunkt kommen, da die Elben feststellen mussten, dass die Dunklen Brüder auch den Weg in die Überwelt finden konnten. Dann würde es vorbei sein mit dem sorglosen Leben.
    Der Wald zog sich endlos dahin, aber er war keineswegs gleichförmig. Wenn Gilfalas nur ein Auge für das Wechselspiel von Licht und Schatten, von Grün und Gold gehabt hätte, das ihn umgab, wäre er vor Staunen kaum mehr weitergekommen. Aber den Elben aus den Mittelreichen beherrschte mittlerweile nur noch ein Gedanke: die Stadt des Hohen Elbenfürsten zu erreichen.
    Es war am Nachmittag des vierten Tages, nachdem sie ihren Ritt begonnen hatten. Der Wald war wieder dichter geworden, und die Büsche wurden zahlreicher, bis sie sich zu einem einzigen großen See aus frischem satten Grün vereinigt hatten, übersät von Tausenden und Abertausenden winziger, sternförmiger weißer Blüten. Aber in diesem Blütenmeer befanden sich Millionen spitzer Stacheln, die das Dickicht zu einem natürlichen Schutzwall machten.
    Gilfalas sah dies wohl, doch dachte er sich nichts dabei, bis sich der Wald plötzlich öffnete und die Straße in einem weiten Bogen aus dem mannshohen Dornendickicht hinaus ins Freie führte. Die Rösser, kaum dass sie den Schatten der Bäume verlassen hatten, verlangsamten ihren Schritt, doch Gilfalas merkte es kaum. Nichts auf der Welt hatte ihn auf den Anblick vorbereitet, der sich ihm bot.
    Wolken ballten sich am Himmel, türmten sich auf zu phantastischen Gebilden, doch Selenthoril lag im hellen Sonnenschein. Es war mehr als nur eine Lichtung im Wald, vielmehr eine kreisrunde, baumlose Ebene von mehreren Meilen Durchmesser. In ihrem Zentrum lag die Stadt.
    Die Stadt erhob sich auf einem Hügel. Seinen Rand säumten Bäume; in mehreren konzentrischen Ringen angeordnet, strebten sie den Hang hinauf, grün und silbrig und golden, Bäume wie Gestalt gewordene Visionen, schimmernd in einem Licht, von dem man nicht wusste, ob es nur gespeicherter und wiedergegebener Sonnenschein war oder aus dem Inneren der Stadt selbst kam.
    Die Bäume gingen unmerklich in Türme über, alle von ähnlicher Gestalt, doch keiner wie der andere. Hier wehten bunte Wimpel aus schillernder Seide, dort erhoben sich schlanke Fialen und Tabernakel, gewachsen aus Ästen und Zweigen, dem Himmel entgegenstrebend. Was Menschen in Stein schufen, hatten Elben aus lebender Natur errichtet.
    Zwischen den Türmen schwangen sich anmutige, schlanke Brücken und Strebebogen, die alle zum Zentrum wiesen. Dort erhob sich, einer Krone gleich, der Palast. Eine Kuppel überwölbte ihn, schimmernd wie Perlmutt, von filigranem Maßwerk durchbrochen, ein Traum aus Licht und Luft zwischen Himmel und Erde.
    »Hier ist das Zentrum des Elbentums«, sprach Arlurin, sein Begleiter. »Hier hält der Hohe Elbenfürst mit den Seinen Hof.«
    Gilfalas aber dachte an die Wasser des Erwachens, die er nie gesehen hatte, doch die in seinen Erinnerungen lebendig waren, und er wusste in seinem Herzen, dass in jenem Anfang, als der erste der Eloai des Herrn und der Herrin ansichtig wurde, mehr vom Wesen des Elbischen lag als in dieser ganzen wundersamen Pracht.
    Gilfalas wagte nicht zu schätzen, wie viele Elben hier in Selenthoril lebten. Aber eines fehlte, und er wusste im ersten Moment nicht, was es war. Dann ging es ihm plötzlich auf: Er vermisste das fröhliche Geschrei von spielenden Kindern. Zwar kam von überallher Musik; aber ein Ort, wie die Weisen seines Volkes sagten, lebt erst durch seine Kinder, und die waren nirgends zu entdecken.
    Sie ritten über eine breite, von Bäumen und blumenbedeckten Banketten gesäumte Straße auf den Palast zu, der höher und höher vor ihnen emporwuchs. Er schien aus einer einzigen überwölbten Halle zu bestehen, deren Ausmaße jeden Tempel in Magna Aureolis übertrafen.
    Keiner der auf der Straße geschäftig hin und her eilenden Elben achtete auf die Reiter, die, gezeichnet vom Staub des Waldweges, dem großen

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