Die Rose der Highlands
entgegnete Lili ungerührt.
Im ersten Moment verstand Isobel nicht, was Lili ihr damit sagen
wollte, doch dann begriff sie es.
»Natürlich, ich werde dich in seiner Gegenwart âºMutterâ¹ nennen, aber
jetzt musst du mich entschuldigen. Ich werde schauen, ob ich etwas zum Anziehen
finde. Ich kann doch unmöglich mit ihm in einem meiner Lehrerinnenkleider
dinieren, und das Grüne, das kennt er schon. Wie komme ich denn vorher bloÃ
noch nach Inverness, um mir ein neues Kleid zu kaufen? Oh, das wird knapp.«
Isobels Wangen glühten vor lauter Aufregung.
»Wenn du bei dir nichts findest, dann schauen wir in meinen alten
Sachen. Als ich auf Scatwell Castle ankam, hatte ich deine GröÃe â¦Â«
»Aber Mutter, ich trage doch keine Kleider aus dem Jahre 1914«,
widersprach Isobel mit gespielter Empörung, bevor sie aus dem Salon rannte,
ohne sich noch einmal umzudrehen.
Schön zu sehen, wie die Verliebtheit sie aufblühen lässt, dachte
Lili seufzend. Es steht ihr gut, wenn ihr die pure Lebensfreude aus allen Poren
strahlt. Sie erinnert mich beinahe an Rose. Nur dass Rose immer so fröhlich ist
und es ihr manchmal am erforderlichen Ernst fehlt. Lili überfiel plötzlich eine
tiefe Sehnsucht nach ihrer Jüngsten. Und der Gedanke, sie bald wieder in ihre
Arme zu schlieÃen, erfüllte sie mit groÃer Freude.
Schmunzelnd fiel ihr ein, was sich Rose von Herzen wünschte, wenn
sie in den Ferien nach Hause kam. An ihrem sechzehnten Geburtstag zu Hogmanay
einen Ball auf Scatwell Castle, zu dem sie alle ihre Freundinnen einladen
durfte. Und die jungen Highlander. Das hatte Rose immer wieder betont. Bislang
hatte Lili gehofft, dass Rose das Ganze schnell wieder vergessen würde, doch
erst gestern hatte sie in einem Brief verkündet, sie habe von Edinburgh aus
bereits alle Einladungen versandt. Vielleicht bewahrt mich der Schnee davor,
inmitten einer Horde aufgedrehter junger Mädchen zu feiern, dachte Lili, doch
sie war sich sicher, dass Rose Mittel und Wege finden würde, ihre Gäste auch
durch Schneewehen ins Tal von Strathconon zu befördern. Wenn sie sich etwas in
den Kopf gesetzt hatte, dann konnte sie nichts und niemand davon abbringen.
Lili wurde ganz warm ums Herz, wenn sie an ihre kleine Tochter
dachte. Ein wenig Traurigkeit schlich sich allerdings auch ein, denn Lili ging
fest davon aus, dass Rose nicht so lange wie Isobel bei ihr leben würde. Es war
nur noch eine Frage der Zeit, bis ihr ein kerniger Highlander den Kopf
verdrehte. Und was, wenn Isobel Scatwell Castle wider Erwarten auch noch
verlassen würde?
Lili durfte gar nicht weiterdenken. Sie versuchte, die Furcht vor einer
einsamen Zukunft abzuschütteln, und wandte sich dem Frühstück zu. Der Black
pudding war inzwischen kalt geworden. Trotzdem aà sie gierig davon, denn jetzt
machte sich der Hunger bemerkbar. Noch einmal schweiften ihre Gedanken zu dem
gestrigen Abend ab. Sofort meldete sich Lilis schlechtes Gewissen. Was würde Isobel
wohl sagen, wenn sie wüsste, dass sie sich insgeheim von diesem Dinner einen
totalen Reinfall erhoffte? Lili lieà die Gabel sinken. Ja, und warum
eigentlich? Sie erschrak. Der Gedanke, dass dieser Lord Fraser eine tiefere
Zuneigung zu Isobel fassen und eines Tages zur Familie gehören würde, schien
ihr unerträglich. Und das Schlimme daran war, dass ihre Abwehr gegen den Lord
nur auf einem vagen Bauchgefühl fuÃte.
Am liebsten würde sie diese negativen Gedanken einfach über Bord
werfen und von Herzen wünschen, dass Isobels Träume in Erfüllung gehen mochten.
Doch es gelang ihr einfach nicht, so sehr sie sich auch bemühte. Da grummelte
unablässig ein Gefühl in ihr, dass dieser Mann nicht gut für ihre Stieftochter
wäre.
Was ist bloà mit mir los? Mein innerer Gerichtshof hat Lord Fraser
ganz ohne Indizien und Beweise vorverurteilt. Schuldig, Euer Ehren! Aber
welchen Verbrechens sollte ich ihn denn bloà anklagen?
»Jag endlich diese spinnerten Gedanken zum Teufel, Lili Munroy, und
gib zu, dass es dir schlichtweg darum geht, nicht allein auf Scatwell Castle
zurückzubleiben!«, murmelte Lili. Doch es nützte nichts, dass sie ihren Vorsatz
laut aussprach. Das merkwürdige Gefühl im Magen blieb.
9
L ili lief an diesem
Samstagnachmittag ganz entgegen ihren sonsÂ
tigen Gewohnheiten im Morgenmantel durch Scatwell Castle. Sie machte
dabei allerdings keinen kranken, sondern
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