Die Rose des Propheten 6 - Das Buch Promenthas
zu nehmen, sondern auch unsere unsterblichen Seelen.«
Auda griff in seine Robe und holte einen Gegenstand hervor, den Khardan sofort erkannte – den Dolch mit der durchtrennten Schlange. Der Paladin hob ihn mit der Linken auf dieselbe Höhe mit dem Medaillon. »Die Hand, die diesen Dolch hält, ist nicht länger meine Hand, sondern deine, Zhakrin. Führe sie ans Herz deines Feindes.«
Audas dem Licht zugewandtes Gesicht war bleich und kalt wie Marmor, die grausamen Augen dunkel und leer. Ein eisiger Wind kam auf und wehte durch den Garten. Eine Woge des Bösen packte Khardan, so daß er kaum noch aufrecht stehen konnte und nur noch zitternd dastand.
Was tue ich hier eigentlich? dachte der Nomadenprinz voll Grauen. Warst du es, der mich hierhergesandt hat, Akhran, oder bin ich getäuscht worden? Bin ich nur durch List an diesen bösen Mann gekettet worden und wird es darin enden, daß ich in die dunkle Grube des Sul stürze und meine Seele für immer verliere? Welch Unterschied besteht zwischen Auda und diesem Feisal? Welcher Unterschied ist zwischen Quar und Zhakrin? Gewiß würde Zhakrin selbst versuchen, zum einen, wahren Gott zu werden, wenn er nur könnte! Was geschieht eigentlich im Himmel, das mich auf der Erde auf diesen Weg geführt hat?
Im Kampf würde ich diesem bösen Krieger das Leben rauben, aber ich will es ihm nicht im Dunkeln entreißen. Und doch will er sich mir nicht im Kampf stellen, aber wie kann ich mein Volk anders retten?
Hilf mir, Akhran! Hilf mir!
Und dann sprach Auda wieder, und in seiner Stimme klang Sanftheit und Belustigung. »Noch ein letztes Gebet, Zhakrin. Entbinde diesen Mann, Khardan, seines Eids, so wie ich ihn dessen entbinde. Wenn ich tot bin, wird er meinen Tod nicht zu rächen brauchen. Wenn mein Blut ihn berührt, soll es nur als Segen und nicht als Fluch geschehen. Darum bitte ich dich, Zhakrin, als einer, der in der Erwartung voranschreitet, bald bei dir zu sein.«
Auda neigte den Kopf und reckte Dolch und Medaillon noch höher in die Nacht hinaus.
Khardan lehnte sich mit dem Rücken gegen die Mauer, zitternd und doch in dem Gefühl, daß er irgendwie eine Antwort bekommen hatte. Jedwede Beschränkung war von ihm genommen.
Auda, der sich auf den Boden geworfen hatte, erhob sich wieder. Er küßte den Dolch und ließ ihn in die Falten seines gestohlenen Priesterumhangs gleiten. Dann küßte er das Medaillon und hängte ihn sich um den Hals.
»Man wird ihn sehen«, bemerkte Khardan.
»Ich will auch, daß man ihn sieht«, erwiderte der Paladin.
»Wenn sie dich erblicken, werden sie wissen, was du vorhast, und dich niedermachen.«
»Sehr wahrscheinlich. Ich werde lange genug leben, um mein Ziel zu erreichen, und danach spielt es keine Rolle mehr.«
Auda öffnete die Tür, doch Khardan stellte sich ihm in den Weg.
»Ich möchte diesen Mann erst sprechen sehen und hören«, sagte der Kalif mißmutig. »Ich möchte ihm eine letzte Gelegenheit gewähren, den Befehl für mein Volk zurückzunehmen. Versprichst du mir das, bevor du angreifst?«
»Ich bin nicht der einzige, den sie niedermachen werden«, antwortete Auda mit einem huschenden Gespenst von einem Lächeln auf den bärtigen Lippen.
»Schwöre es, bei deinem Gott!«
Auda zuckte mit den Schultern. »Also gut, doch nur, weil du eine nützliche Ablenkung darstellen könntest. Ich schwöre es.«
Dann nahm Khardan seinen Arm zurück und betrat neben Auda den Tunnel.
Hinter ihnen schloß sich lautlos die Tür.
8
»Nun, das war’s«, sagte Sond und starrte düster auf das Tunneltor, durch das sein Gebieter soeben verschwunden war. »Wir dürfen den geheiligten Ort eines anderen Gotts nicht betreten.«
»Wir könnten hierbleiben und den Rückzug bewachen«, schlug Fedj vor.
»Pah! Gegen wen sollen wir den Rückzug denn bewachen?« versetzte Sond säuerlich. »Alle versammeln sich zur Zeremonie. Nur die Leibwachen des Emirs sind noch da. Nach allem, was ich in Erfahrung bringen konnte, hat Qannadi sie abgestellt, um jene zu verstärken, die die Menge in Schach halten sollen.«
»Wir können ja in die Küche des Emirs gehen und nachsehen, was sie dort zum Abendessen vorbereitet haben«, schlug Usti vor und rieb sich dabei die fetten Hände.
»Habe ich nicht gerade gehört, wie deine Gebieterin nach dir rief?« fragte Sond mit mürrischer Miene.
»Diese List hast du einmal zu oft gegen mich eingesetzt, Sond«, sagte Usti mit hochmütigem Stolz. »Es ist schon lange nach dem Abendessen, es dauert noch
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