Die Rose von Byzanz
müssen.“
Sie verstand nicht, was er damit meinte. Doch ihre Kenntnis seiner Sprache war auch bisher nicht so groß, dass sie alle kleinen Bedeutungsnuancen verstanden hätte.
Er verzog das Gesicht zu einer grinsenden Fratze. „Ich werde heute Abend all die schönen Mädchen versteigern. Siehst du? Heute kommen die letzten. Ich habe sie mit dem Geld gekauft, das der Basileus für deine Freundin gezahlt hat. Habe übrigens gehört, er sei überaus zufrieden mit seiner Ware. Sie stellt sich geschickt an. Das hat sie dir wohl voraus.“
Johanna antwortete nicht.
„Wenn du dich nur ein bisschen klüger anstellen würdest … wärst du nicht so widerspenstig, hätte ich längst einen Käufer für dich gefunden, und bestimmt keinen schlechten. Es gibt auch Männer, die ihre Frauen gut behandeln.“
Er zuckte mit den Schultern. „Das kommt davon, wenn man die Hand beißt, die einen füttert.“
Johannas Finger zupften an der Strohmatte.
„Nun, wie auch immer. Hab mir sagen lassen, deine Freundin käme auch mit den Brandnarben gut zurecht. Ein Purpurgeborener scheint etwas andere Methoden zu haben, Lust zu empfinden.“
Sie schwieg. In ihr brandete der Zorn, der sie auch in den Fieberträumen begleitet hatte. Es war keine Krankheit, die ihr tagelang die Sinne geraubt hatte, sondern der Wunsch, all jenen wehzutun, die ihr wehgetan hatten. Der Purpurgeborene, der ihr Ise wegnahm, war nur der Letzte in einer langen Reihe.
Eirik Hallgrimsson.
Sie hatte sich den Namen des Nordmanns gemerkt, weil sie ihn nachts und tagsüber, im Wachen und im Schlaf, wieder und wieder flüsterte. Ihn hasste sie von allen am meisten. Er hatte sie in Sicherheit gewiegt, hatte ihr Hoffnung geschenkt, dass es eine bessere Welt für sie gab.
Aber vor allem hatte sie sich selbst wehgetan, als sie sich gestattete, an das Gute zu glauben. Daran, dass dieser Nordmann sie vielleicht rettete. Aber das konnte er nicht – das konnte nur sie selbst.
„Ich verfluche dich“, flüsterte sie.
Kallistos lachte. „Du machst mir keine Angst mehr, Feuerhexe. Du nicht. Heute Abend werde ich dich meistbietend versteigern, und es kümmert mich nicht, ob du mich verfluchst. Du hättest es oft genug getan. Und wenn du es getan hast, würde ich jetzt kaum mehr leben.“
Sie antwortete nicht. Schließlich war er es gewesen, der ihr angedichtet hatte, eine Hexe zu sein, nicht wahr?
„Du wirst gehorsam sein.“
„Und wenn ich nicht gehorsam bin?“, begehrte sie auf.
„Du wirst gehorsam sein“, wiederholte er überzeugt.
„Und wenn ich’s nicht bin? Was geschieht dann mit mir?“
Er stand auf und blickte auf sie herunter. „Jene, die ich heute nicht losschlage, schicke ich ins Bordell am Hafen. Und wenn ich dich denen schenken muss. Nach diesem Abend will ich dich hier nicht mehr sehen. Jetzt wasch dich, ich lasse dir eine saubere Tunika bringen.“
Er entfernte sich mit raschen Schritten, die sie ihm kaum zugetraut hätte. Einige Meter entfernt hockte die Nubierin auf ihrer Strohmatte. Ihr Körper wiegte sich vor und zurück, und als Kallistos zu ihr trat, blickte sie aus großen unergründlich dunklen Augen zu ihm auf. Johanna beobachtete, wie Kallistos winkte und das Mädchen sich mit einer geschmeidigen Bewegung erhob. Sie runzelte die Stirn. Die Brüste des Mädchens wirkten voller, und unter der Tunika wölbte sich ein kleines Bäuchlein. Mit gesenktem Kopf folgte sie dem Sklavenhändler in das Haus.
Ob er auch die zarte Nubierin verkaufen würde? Ob er sie als Jungfrau anpreisen würde wie all die anderen?
Johanna ließ sich auf ihre Matte sinken. Sie rollte sich auf der Seite ein und umklammerte mit der Linken ihr rechtes Handgelenk. Mit geschlossenen Augen summte sie ein Lied, das ihr plötzlich in den Sinn kam. Ise und die anderen Mädchen hatten es am Hochzeitsmorgen gesungen, als sie Johannas rotes Haar bürsteten. Das war eine andere Welt gewesen, ein anderes Leben.
So wie heute ein anderes Leben für Johanna begann. Aber alles schien ihr verlockender als das Leben, das sie in den letzten Wochen und Monaten gefristet hatte.
Eirik kam in den nächsten Tagen nicht zu ihr. Irene akzeptierte seinen Rückzug, und sie redete sich ein, dass es sie nicht schmerzte, von ihm im Stich gelassen zu werden.
Bereits am nächsten Abend fand sie Andronikos in ihrem Gemach, als sie nach einem ermüdenden Ausflug in den Palastgarten zurückkehrte, bei dem sie mit den Frauen, Schwestern und Töchtern anderer Hofbeamter im Schatten gesessen und
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