Die Rose von Darjeeling - Roman
Jugendsünden.«
Marita rief nach ihrem Mann, herzlich hießen die beiden sie willkommen. Die Gastgeberin machte Julia mit einem diskreten Blick darauf aufmerksam, dass sich Lutz und seine neue Freundin im Nebenraum befanden. Durch eine geöffnete Flügeltür konnte Julia das Paar sehen. Es stand allein an einem Stehtisch.
Vor diesem Moment fürchtete Julia sich seit Monaten. Nur ein einziges Mal hatte sie Lutz’ neue Errungenschaft bisher gesehen – allerdings, als sie schon längst nicht mehr mit Lutz zusammen war. Sie hatte sie damals nicht sonderlich interessant gefunden. Ein Allerweltstyp mit spitzer Nase, einem langweiligen Haarschnitt und uninspirierten Ökoklamotten. Und jetzt lebte diese – wie Lutz verbeamtete – Französischlehrerin an der Seite des Mannes, mit dem Julia sich vier Jahre lang ihre Zukunft ausgemalt hatte. Kein Sterbenswörtchen hatte er bei ihrer Trennung über seine Neue verloren. Julia hatte erst Wochen später durch Freunde von ihr erfahren.
Lutz arbeitete beim Finanzamt. Er legte Wert auf eine, wie er es formulierte »ausgewogene Work-Life-Balance«, und die war ihm mit Julia angeblich zunehmend schlechter gelungen. Ach, alles dumme, vorgeschobene Gründe, dachte Julia auf einmal wieder wütend. Er hatte einfach eine andere Frau getroffen, die ihm besser gefiel. Kein Mann beendete eine lange Beziehung, weil ihm plötzlich grundsätzliche Unverträglichkeiten aufgingen. Männer machten immer nur Schluss, wenn sie schon eine Neue hatten. Im Gegensatz zu Frauen, die sich eben nicht von einer Beziehung in die nächste stürzten.
Max folgte den Blicken der sichtlich nervösen Julia, und da er durch geschicktes Ausfragen von Hein wusste, dass ihr Verflossener Lutz hieß und dass dieser Lutz eine Neue hatte, reimte er sich den Rest zusammen.
»Wollen wir uns den Garten ansehen?«
Julia nickte stumm. Unten traf sie Bekannte. Sie kamen ins Gespräch, tranken noch mehr von der köstlichen Maibowle, die nach frischem Waldmeister und Ingwer schmeckte. Ein Paar erzählte, dass es in der nächsten Woche auf der Fehn-Route durch Ostfriesland radeln wollte.
»Da könnten wir auch mal entlangjoggen«, schlug Max vor, der aufmerksam zugehört hatte. »Kanäle, Windmühlen, urige Dörfer … das klingt gut.« Und sicher gab es dort auch jede Menge Bauerngärten.
Julia zuckte mit den Achseln. »Meinetwegen. Aber mir wird langsam kalt.«
Sie gingen wieder hoch.
»Ich hol uns was zu trinken«, sagte Max. »Was möchtest du?«
»Einen trockenen Weißwein, bitte.«
In diesem Moment sah Julia, dass Lutz sie bemerkte. Er zuckte zusammen, murmelte seiner Freundin etwas zu und raffte sich dann auf. Sie würden sich schließlich immer wieder über den Weg laufen, und es war besser, einen freundschaftlichen Umgang zu pflegen. Lutz kam auf Julia zu.
»Hallo, Julia.«
Mist, es tat noch weh. Der Klang seiner Stimme ging in tiefere Bereiche ihres Gefühls, die ihr Verstand noch nicht bearbeitet hatte.
»Hallo, Lutz.«
»Gut siehst du aus. Wie geht’s dir?«
»Danke gut.« Er erwartete ja wohl nicht, dass sie ihm ein Kompliment über sein Aussehen machte.
»Ich würde dich gern mit Susanne bekannt machen.« Er sprach es französisch aus, »Süsan«.
Wie affektiert, dachte Julia. Also gut, bringen wir’s hinter uns. »Ja gerne.«
Sie folgte ihm, er stellte sie vor. Julia musterte Susannes Gesicht. Sie war langweilig.
Jetzt stieß Max zu ihnen. »Ah, da bist du, Julia!« Er reichte ihr das Glas Weißwein. Julia übernahm die knappe Vorstellungsrunde. »Max, Susanne, Lutz. Susanne ist Französischlehrerin.« Auch sie sprach den Namen übertrieben französisch aus.
Bevor sie fortfahren konnte, sagte Max: »Enchanté, Madame!« und parlierte in perfektem Französisch mit der Lehrerin; Susanne hatte deutlich Schwierigkeiten, ihm zu folgen. Lutz verfolgte das Ganze mit einem dümmlichen Gesichtsausdruck.
Julia genoss die Szene. Sie musste sich richtig anstrengen, ihre Freude nicht zu zeigen.
Der DJ legte jetzt einen Tango auf. Max lächelte Lutz und Susanne entschuldigend an. »Komm, sie spielen unser Lied, Darling.«
Darling! Unser Lied! Was erlaubte er sich? Alles war so gut gelaufen. Kein Stolpern, kein kaputtes Glas … Warum musste Max das Schicksal noch weiter herausfordern?
»Ich kann keinen Tango!«, zischte Julia ihm ins Ohr, als er sie vor den Augen aller auf die Tanzfläche zog.
»Aber ich«, flüsterte er zurück. »Lass dich einfach führen, vertrau mir!«
Und schon spürte sie
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