Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
Kameraden zuraunen, dass Henry heute Morgen offensichtlich schon ein Kaninchen erlegt hatte.
Ida musste dicht an der Stelle vorbeigehen, wo Roger Bigod und William Marshal wie die anderen gestiefelt und gespornt darauf warteten, dass sie endlich aufbrechen konnten. Rogers Nacken lief rot an, er senkte den Blick und tat so, als hätte er sie nicht gesehen, während William Marshal ihr mit unbeteiligter Höflichkeit zunickte. Beide Reaktionen ließen sie vor Scham erglühen, denn sie entsprangen beide auf ihre Weise dem Verhalten eines Mannes, der auch in einer peinlichen Situation seine Manieren wahrt. Sie würde sich nie daran gewöhnen, eine Konkubine zu sein. Niemals!
Sowie sie das Frauenschlafgemach erreicht hatte, warf sie sich auf ihre Pritsche und begann bitterlich zu weinen.
9
Everswell, Palast von Woodstock,
Juni 1179
Am gestrigen Abend waren ein paar Blutstropfen auf den Leinentüchern gewesen, die Ida benutzte, wenn ihre monatliche Blutung begann. Als sie an diesem Morgen den Abtritt aufsuchte, entdeckte sie nichts, obwohl ihr übel war und sie sich so erschöpft und aufgebläht fühlte, als würde die Blutung jetzt richtig einsetzen.
Eine warme, trockene Brise blies die federleichten Löwenzahnsamen durch die Luft, und die Wälder und Wiesen standen im vollen Grün des Mittsommers. Die in die dicken Mauern eingelassenen Fensternischen boten Ida einen herrlichen Blick über die Schönheiten der Natur, während sie ihre Übelkeit bekämpfte und versuchte, das schwere Gefühl in ihrem Unterleib zu ignorieren.
Henry liebte Woodstock und hatte Everswell neben dem Palast als privates Refugium für sich und seine frühere Mätresse Rosamund de Clifford erbauen lassen. Sie lag in Godstow begraben, aber Everswell mit seinen duftenden Rosengärten und den kunstvoll angelegten Teichen und Springbrunnen blieb bestehen: ein wunderschöner friedlicher Ort, den Ida gleichfalls sehr liebte, aber noch mehr zu schätzen gewusst hätte, wenn sie sich nicht so elend gefühlt hätte. Ihre Knochen schienen aus Blei zu bestehen, als sie in den Garten zurückkehrte, wo sich eine Gruppe von Frauen versammelt hatte und miteinander schwatzte – darunter auch Hodierna, die ehemalige königliche Amme. Sie platzte fast vor Stolz, weil Henrys Sohn Richard, der gerade seinen Vater besuchte, sich die Zeit genommen
hatte, sie aufzusuchen und ihr zum Andenken an ihn einen Goldring zu schenken.
Ida setzte sich zu ihr auf die sonnenwarme Bank. Ein Pfau stolzierte langsam vor den Frauen auf und ab und stieß einen schrillen Ruf aus, als er mit seinen Schwanzfedern ein prächtiges Rad schlug.
»Wie ein Höfling«, kicherte Hodierna, dabei rieb sie über den mit Saphiren besetzten Goldreif an ihrem Finger.
Ida lächelte matt, als der Vogel kleine Pirouetten beschrieb. Sie bewunderte seine schillernden Farben und überlegte, wie sie sie in einer Stickerei verewigen konnte. Roger Bigod besaß einen schönen scharlachroten, mit Pfauenfedern verzierten Hut.
»Geht es dir besser?«
Ida schüttelte den Kopf.
»Wenn nur meine Blutung endlich einsetzen würde! Dann würde ich mich sofort besser fühlen.«
Hodierna musterte sie forschend.
»Du sagtest doch, sie hätte gestern angefangen?«
»Sie hat wieder aufgehört.«
»Und dir ist schlecht?«
Ida nickte.
»Ich konnte heute Morgen nur etwas Brot und Honig essen, und gestern Abend war ich zu krank, um mehr als in Wein eingeweichte Brotstücke hinunterzubringen.« Sie beobachtete einen Fisch in dem nächstgelegenen Teich, der aus dem Wasser schnellte. Seine Schuppen schimmerten silbrig auf, dann verschwand er wieder in dem dunkelgrünen Teich.
»Wann war deine letzte Monatsblutung?«
Ida sah sie verwirrt an.
»Anfang Mai, glaube ich, aber sie kam ein paar Tage zu spät, und sie war auch nicht sehr stark.«
»Ich denke, du solltest dich mit dem Gedanken anfreunden, dass du ein Kind erwartest.«
Die aufkeimende Panik verstärkte Idas Übelkeit. Sie weigerte sich, eine mögliche Schwangerschaft auch nur in Betracht zu ziehen. Es war ja etwas Blut da gewesen. Das bedeutete doch sicherlich, dass ihr Körper sich von Henrys Samen befreit hatte?
»Nein.« Sie schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Nein, das kann nicht sein.«
»Es ist die logischste Erklärung. Wenn du ein Völlegefühl empfindest, dann kommt das daher, dass du ein Kind im Leib trägst. Bei manchen Frauen setzen die Monatsblutungen auch dann noch ein, wenn sie schwanger sind.«
»Nein.« Ida ballte die Fäuste im
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