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Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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und etwas kaputt gemacht, vielleicht eine Porzellanfigur – oder einen jener kostbar umrahmten Spiegel, die so deutlich verrieten, wie alt sie geworden war … und wie bitter verhärmt.
    Sie verkrampfte ihre Hände ineinander. »Du hast mich zerstört!«, stieß sie schließlich hervor.
    Er senkte seinen Blick, wirkte schuldbewusst, aber auch überdrüssig.
    »Gewiss bin ich an vielem schuld«, erwiderte er trotzig, »aber den Tripelallianz-Krieg, der in Südamerika tobt, kannst du mir nicht anlasten. Wenn ich mir vorstelle …«
    Sie löste ihre Hände wieder voneinander und hob sie abwehrend. Schlimm genug, kurz in den Abgrund ihrer beider Seele geblickt zu haben – unmöglich konnte sie der Sorge um die Tochter nachgeben, ohne zu verzweifeln oder den Verstand zu verlieren. »Was immer dort geschehen ist«, sagte sie schnell, »sieh auf das Datum des Briefs. Er ist einige Wochen alt, du weißt doch, dass es kein brauchbares Telegraphennetz gibt. Wenn wir tatsächlich aufbrechen würden, würden weitere Wochen bis zu unserer Ankunft vergehen, und bis dahin ist Valeria gewiss schon wieder wohlbehalten zurückgekehrt. Carl-Theodor hat doch selbst geschrieben, wir sollen uns keine Sorgen machen.«
    Mit jedem Wort wuchs das schlechte Gewissen, ihre Tochter zu verraten. Aber die Vorstellung, mit Albert zu reisen, in ihre Heimat zurückzukehren, sich an das junge Mädchen zu erinnern, das sich damals in den etwas steifen, aber freundlichen Deutschen verliebt hatte, gar ihrer Familie zu begegnen und ihr vormachen zu müssen, wie gut sie es getroffen hatte – nein, nichts von alldem brachte sie über sich. Und in Alberts Miene las sie denselben Widerstreit zwischen der Sorge um die Tochter und der eigenen Bequemlichkeit.
    »Also schlägst du vor, dass wir besser abwarten?«, fragte er gedehnt.
    »Tu nicht so, als wäre das nur meine Entscheidung. Die gleiche hattest du doch auch eben im Sinn.«
    Sie sah an der gerunzelten Stirn, wie sehr er mit sich kämpfte. Sie selbst tat es auch. Aber je länger sie sich anstarrten, desto unbedeutender wurde die Sorge um Valeria, und es schien einzig darum zu gehen, wer von ihnen zuerst eine Schwäche zeigte. Sich sämtlichen Gefühlen zu verweigern, wäre ihm früher leichter gefallen als ihr – aber mittlerweile hatte sie es längst selbst zur Meisterschaft gebracht, und am Ende siegte nicht nur die Bequemlichkeit, sondern auch der unbedingte Wille, vor dem anderen keine Schwäche einzugestehen. Als er schließlich nickte, sich abwandte und wortlos ging, blieb sie stocksteif stehen. Erst nachdem hinter ihm die Tür zugefallen war, sank sie kraftlos nieder.
    Valeria … Was war ihrem Mädchen zugestoßen? … Dem starken, fordernden, fröhlichen Mädchen, das sie immer gescheut hatte, weil es sie an sie selbst erinnerte?
    Sie zuckte zusammen, als sich die Tür abermals öffnete. Sie rechnete schon damit, dass Albert zurückgekommen war, und kurz entglitten ihr die Züge, war die Versuchung so groß zu rufen: Was zählt die Vergangenheit, wenn unser Mädchen in Gefahr ist? Was immer uns trennen mag – vor allem eint es uns, dass wir ihre Eltern sind!
    Doch es war nicht Albert, der vor ihr stand, sondern Espe – grauer, faltiger und beleibter als früher, aber immer noch in sich ruhend und mit wachem Blick.
    »Ach Espe …«, seufzte Rosa.
    »Ich habe alles gehört. Ist Valeria tatsächlich in Gefahr?«
    Rosa lief zu ihr und ergriff ihre Hände. »Ich kann hier nicht weg – aber du musst an meiner statt nach Uruguay fahren. Finde heraus, was geschehen ist, und sorge dafür, dass alles gut wird!«
    Sie klang wie das kleine Mädchen von einst, das seiner Beschützerin grenzenlos vertraut hatte. Mittlerweile wusste sie – es stand nicht in Espes Macht, den Lauf der Welt zu ändern. Aber als jene bekräftigend ihre Hände drückte und nickte, fühlte sie sich getröstet. Sie ließ ihren Kopf auf Espes Brust sinken, und zum ersten Mal seit vielen Jahren weinte sie hemmungslos.

21. Kapitel
    A ls sie nach mehreren Wochen wieder auf dem gebrochenen Bein auftrat, hätte Claire vor Schmerzen schreien können. Die Wirtin fand das nicht weiter schlimm, schien mit dem Erfolg ihrer Behandlung vielmehr zufrieden und meinte stoisch: »Es braucht eben eine Weile, irgendwann wird’s besser.«
    Wieder hätte Claire schreien können – diesmal vor Wut über so viel Härte. Am liebsten hätte sie sich sofort ins Bett geflüchtet, um sich den Rest den Tages kein Jota zu rühren, doch

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