Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
Aufsicht statt, verstanden?«
Zum Glück war er mittags guter Laune, und als Beatrice sich verabschiedete, um zu Will hinüberzugehen, schien er seine Anordnung vom Morgen vergessen zu haben, denn er nickte nur und sagte gedankenabwesend: »Ja, geh nur. Sei fleißig, hörst du? Ich setze große Erwartungen in dich.«
Sie wußte nicht, was er mit dem letzten Satz gemeint hatte, aber sie empfand ihn als beunruhigend.
Sie sprach Will auf Erichs unberechenbare Launen an, und Will entgegnete vorsichtig, dies falle vielen Menschen an ihm auf und sei ein häufiges Gesprächsthema auf der Insel.
»Zum Glück weiß ich ungefähr, wann ich ihm aus dem Weg gehen muß«, sagte Beatrice, und leise setzte sie hinzu: »Wenn es nur endlich vorbei wäre!«
Sie quälten sich beide durch den Nachmittag. Will wirkte unkonzentriert, und Beatrice machte wesentlich mehr Fehler als sonst. Will drückte ihr zum Schluß ein Buch in die Hand und sagte, sie solle versuchen, bis zum nächsten Tag das erste Kapitel darin zu lesen.
»Geh jetzt hinüber«, sagte er, »und mach dir nicht zu viele Sorgen. Vielleicht ist Mrs. Feldmann ja ganz nett.«
Beatrice hatte keine Lust, sich auch nur einem der beiden Feldmanns
auszusetzen, und so verschwand sie gleich im Garten, zog sich an ihren Lieblingsplatz zurück, an eine hohe, weiße Steinmauer, vor der ihr Vater etwas Wein angebaut hatte. Rebstöcke hatten nicht die besten Kulturbedingungen auf den Inseln, aber wenn man sie unterstützte, ihnen windgeschützte, sonnige Plätze ermöglichte, gediehen sie recht gut. Die weiße Mauer, die Andrew selbst gebaut hatte, reflektierte das Licht und die Wärme, und sie hatten immer eigene Trauben ernten können. Aber auch hier schritt die Verwahrlosung voran, das konnte Beatrice bereits sehen. Das Unkraut kroch aus der Erde und breitete sich nach allen Richtungen aus.
»Armer Garten«, flüsterte sie, »aber ich kann nichts tun. Ich kann nicht genug tun.«
Sie blätterte das Buch auf und versuchte, die erste Geschichte zu lesen, aber ihr fehlten noch zu viele Vokabeln, und sie schaffte es nicht, einen Sinn in den Sätzen zu entdecken. Entnervt und frustriert gab sie schließlich auf. Wahrscheinlich werde ich diese Sprache nie mehr lernen, dachte sie müde.
Die Hitze machte sie schläfrig, sie döste ein wenig vor sich hin, und vielleicht schlief sie sogar für einige Momente ein. Sie schrak zusammen, als sie Laute hörte, die sie im ersten Augenblick nicht identifizieren konnte, aber dann erkannte sie, daß unweit von ihr eine Frau weinte, und stand auf, um nachzusehen.
Die Frau kauerte jenseits der Mauer auf dem steinernen Rand einer Vogeltränke, in die schon seit Wochen niemand mehr Wasser gefüllt hatte und in der dicke Moospolster aus allen Ritzen quollen. Das weiße Sommerkleid, das die Frau trug, würde grüne Flecken haben, wenn sie aufstand. Sie hatte den Kopf in die Hände gestützt, ihr Schluchzen kam stoßweise, verebbte, wurde dann wieder stärker. Ihre blonden Haare glänzten rötlich im Licht der Abendsonne. Sie waren zu einer komplizierten Hochfrisur aufgesteckt, aber einige Nadeln hatten sich bereits gelöst, und lange, gewellte Strähnen fielen der Frau über die Schultern.
Instinktiv wußte Beatrice sofort, daß sie Mrs. Feldmann vor sich hatte. »Hallo«, sagte sie schüchtern.
Mrs. Feldmann hob ruckartig den Kopf und starrte Beatrice an. Ihr Gesicht war naß von Tränen, die Augen stark gerötet. Vielleicht
wirkte sie dadurch jünger, als sie war, auf jeden Fall schien sie Beatrice sehr jung zu sein, kaum halb so alt wie Erich. Ihr Kleid war elegant und aus gutem Stoff gearbeitet, aber sie hatte nichts Mondänes an sich. Sie sah aus wie ein junges, trauriges Mädchen, das sich verlaufen hat und nicht weiß, wie es den Weg nach Hause finden soll.
»Hallo«, erwiderte sie und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Sie schien aufstehen zu wollen, gleichzeitig jedoch nicht die Kraft dazu zu finden. »Du mußt Beatrice sein.« Ihr Englisch war akzentfreier als das ihres Mannes, aber sie stockte häufiger, um die richtigen Worte zu suchen. »Mein Mann hat mir von dir erzählt. Ich bin Helene Feldmann.«
Sie kramte in ihrer Rocktasche, fand ein zerknittertes Taschentuch und putzte sich damit die Nase. »Es tut mir leid«, sagte sie, »ich dachte, hier im Garten sei niemand. Du mußt einen eigenartigen Eindruck von mir haben.« Ihre Stimme zitterte. Sie würde jeden Moment erneut in Tränen ausbrechen.
»Ich habe dort
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