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Die roten Blüten der Sehnsucht

Die roten Blüten der Sehnsucht

Titel: Die roten Blüten der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Peterson
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plötzlich, dass Mary Catriona als » böse Frau« bezeichnet hatte. Damals hatte sie es für kindische Eifersucht gehalten. Steckte mehr dahinter? Plötzlich kam ihr die Bemerkung Lady Chatwicks in den Sinn, die Catriona als kalt und berechnend bezeichnet hatte. Und Robert, der sie anfangs so verehrt hatte, war ebenfalls auffällig auf Distanz gegangen…
    » Was hast du? Du ziehst ein Gesicht, als hätte die Katze den Schinken gefressen«, scherzte Catriona. » Es ist doch nichts Ernstes mit eurer vortrefflichen Perkins?«
    » Nein, es ist Lady Chatwick. Sie ist heute Nacht gestorben«, antwortete Dorothea ohne Umschweife. » Die Männer sind schon los, um das Grab auszuheben. Heute Nachmittag werden wir sie beisetzen.«
    » Aber wie kam das so plötzlich?«, fragte Catriona bestürzt. » Gestern Abend war sie doch noch putzmunter. Sie schien mir sogar ein wenig spitzzüngiger als sonst.«
    » Keine Ahnung.« Dorothea hob die Schultern. » Ian hat sich auch gewundert. Aber Dr. Woodforde sagte letztens zu mir, es käme für ihn nicht überraschend, wenn sie nicht ihre Gewohnheiten änderte– und das hat sie ja nicht getan.«
    » Wie alt war sie denn?«
    Die Frage traf Dorothea unvorbereitet. Sie wusste es nicht. Niemand wusste, wie alt Lady Chatwick war. Sie wussten überhaupt nur sehr wenig von ihr. Lady Arabella Chatwick war für Dorothea so etwas wie ein Möbelstück auf Eden House gewesen. Etwas, das schon immer da gewesen war und dessen Anwesenheit man als so selbstverständlich betrachtete, dass man sein Fehlen zuerst gar nicht bemerkte.
    Catriona nickte verständnisvoll. » Es ist ja nicht so wichtig. Das kann man sicher auch später auf den Grabstein meißeln lassen. Auf dem von diesem Sam Carpenter steht auch nur das Geburtsjahr.«
    » Du warst auf dem Friedhof?« Dorothea sah sie überrascht an. Catriona Grenfell hatte auf sie nicht den Eindruck eines Menschen gemacht, den die Vergänglichkeit des Lebens in der morbiden Form von Grabsteinen interessierte.
    Der gute Sam! Inzwischen konnte sie an ihn als den Mann denken, der er gewesen war. Nicht als dieses schreckliche Relikt, das der Skelettmann aus ihm gemacht hatte. Als Ian beim Steinmetz die Grabsteine für Robert Masters und Sam Carpenter in Auftrag gegeben hatte, war herausgekommen, dass niemand seinen Geburtstag gekannt hatte. Auch er nicht. Mrs. Perkins glaubte sich zu erinnern, dass er erzählt hatte, er wäre im schrecklichen Hungerwinter geboren. Dieses berüchtigte Ereignis hatte damals zahllosen Menschen das Leben gekostet. Nicht nur, dass der Winter 1783 ungewöhnlich früh eingesetzt hatte– er war auch bitterkalt gewesen. So kalt, dass es niemanden gab, der sich an Ähnliches erinnern konnte. Wenn es nicht schneite, hatte giftiger Nebel über dem ganzen Land gelegen und die Lungen verätzt. Menschen und Tiere starben wie die Fliegen. Eine miserable Ernte hatte das ihre getan, um die Not zu vergrößern. Es hieß, dass ein Vulkanausbruch bei Island dafür verantwortlich wäre, aber es gab auch zahlreiche Stimmen, die es als göttliche Strafe ansahen.
    Man hatte also das Jahr 1783 auf Sams Grabstein gesetzt. Der Todestag war bekannt.
    Jetzt würde eine weitere Grabstätte hinzukommen.
    » Entschuldigung, ich fürchte, ich habe verschlafen.« Percy knöpfte noch beim Eintreten seinen Rock zu. » Nur eine Tasse Tee, bitte. Ich kann meine Schüler doch nicht warten lassen.«
    » Heute fällt der Unterricht aus«, informierte ihn seine Schwester, bevor Dorothea etwas sagen konnte. » Lady Chatwick ist in der Nacht gestorben.«
    » Was?« Dass Percy sichtbar erblasste und nach der nächsten Stuhllehne griff, wunderte Dorothea ein wenig. So nah hatte er der alten Dame nun auch wieder nicht gestanden. Gehörte er zu jenen Menschen, die übermäßig empfindlich auf unerwartete Todesfälle reagierten?
    » Sie ist offenbar friedlich eingeschlafen«, sagte sie tröstend. » Sie hat sicher nicht gelitten. Ich muss sagen, dass mich das sehr erleichtert, auch wenn es natürlich ein Schock ist, dass es so plötzlich geschah.«
    » Ja, ein Schock«, murmelte Percy und sank auf den nächsten Stuhl. » Das ist es.«
    » Da du also nicht ins Schulzimmer musst, kannst du auch frühstücken«, schlug seine Schwester, praktisch wie immer, vor. » Wie läuft denn eine Beerdigung hier draußen überhaupt ab? Ein Geistlicher ist ja wohl so auf die Schnelle nicht aufzutreiben?«
    » Mrs. Perkins wird Lady Chatwick in ihrem Zimmer aufbahren«, erklärte Dorothea. »

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