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Die roten Blüten der Sehnsucht

Die roten Blüten der Sehnsucht

Titel: Die roten Blüten der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Peterson
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Seltsam, wohin mag sie sie gelegt haben? Haben Sie schon unter dem Kopfkissen nachgesehen?«
    » Da war nur das.« Die Köchin öffnete eine Spanschachtel und präsentierte ihr darin einige lange, blonde Haare, die anscheinend ausgerissen worden waren.
    Dorothea starrte verständnislos auf den Fund. Was hatten Catrionas Haare– und es konnten nur ihre sein– unter Lady Chatwicks Kissen zu suchen? Hatte Lady Chatwick etwa irgendeinen Eingeborenenzauber ausprobiert? Oder hatte jemand anderes die Haare dort deponiert? Zu welchem Zweck?
    Mrs. Perkins schien eine Reaktion zu erwarten, also sagte sie: » Vermutlich irgendein dummer Scherz. Mannara soll ein kleines Bukett binden. Das können wir ihr dann in die Hände legen.« Sie sah auf die gefalteten, von Arthritis entstellten Finger, und heftiges Mitleid durchzuckte sie. Als sie noch am Leben gewesen war, hatte Lady Chatwick nie so hilflos gewirkt wie jetzt. Vermutlich hätte sie es vorgezogen, einen ihrer heiß geliebten Schauerromane mit ins Grab zu nehmen, aber Dorothea wagte nicht, sich auszumalen, was passieren würde, wenn das Reverend Howard zu Ohren käme.
    Als sich die Bewohner von Eden House nach einem improvisierten Imbiss versammelten, um Lady Arabella Chatwick zu Grabe zu tragen, fehlten nur Trixie und die beiden Kleinen. Nachdem Mrs. Perkins das Leintuch sorgfältig über ihr zusammengeschlagen hatte, betteten John und Parnko den Leichnam auf die Bahre, wobei Parnko ängstlich darauf bedacht war, möglichst nicht in Berührung mit dem toten Körper zu kommen. Sicher glaubte auch er, dass ein Dämon die alte Frau getötet hatte. Die Ngarrindjeri hatten panische Angst vor solchen unsichtbaren Gefahren. Verletzungen ertrugen sie in stoischer Gelassenheit, aber simple Kopf- oder gar Bauchschmerzen ohne äußere Ursache waren für sie derart unheimlich, dass sie sofort finstere Mächte dafür verantwortlich machten. Dass er sich überhaupt bereit erklärt hatte, als Totenträger zu fungieren, war ein außerordentliches Zugeständnis. Als er sich bückte, um nach den Trageholmen zu greifen, rutschte ein runder Gegenstand an einem Lederband aus seinem Hemdausschnitt. Trotz des ernsten Anlasses musste Dorothea ein Lächeln unterdrücken, als sie den Knopf mit dem Januskopf erkannte, den sie Mannara als mächtigen Schutzzauber geschenkt hatte. Es musste ihr viel an ihm liegen, wenn sie sich– und sei es auch nur zeitweise– von ihrem kostbaren Besitz getrennt hatte.
    Ian, immer noch schwer auf seinen Stock gestützt, und Dorothea führten den Trauerzug an. Nach einigem Überlegen hatte sie ein schwarzes Atlaskleid gewählt, dazu einen schwarzen Strohhut mit Schleier. Wenn schon kein Pferd mit Straußenfedern einen Katafalkwagen zum Grab zog, so hatte Lady Chatwick zumindest das Anrecht auf eine angemessen gekleidete Trauergemeinde.
    Mrs. Perkins schien das Gleiche empfunden zu haben, und selbst John und Parnko hatten Trauerbinden angelegt. Leicht keuchend unter der schweren Last bemühten sie sich um einen würdevollen Gleichschritt. Lady Arabella hatte gut und gern ihre hundertachtzig Pfund gewogen.
    Unmengen Schmetterlinge in allen Farben des Regenbogens stiegen rechts und links von ihnen aus dem frischen Frühlingsgrün auf, als hätten die Blüten sich von den Stängeln gelöst und plötzlich Flügel bekommen.
    Mit jedem Schritt wurde Dorotheas Kehle enger. Inzwischen war sie oft genug bei den Gräbern gewesen, um frische Blumen hinzustellen. Aber diesmal war es anders. Vielleicht, weil sie erneut eine Bahre mit einem Leichnam begleiteten. Vielleicht, weil sie den Duft der aufgegrabenen Erde riechen konnte.
    Lady Chatwick würde an Roberts Seite ruhen. John und Parnko hatten die Grube tief ausgehoben. Tief genug, dass kein Dingo ihre Totenruhe stören konnte. Beim Blick in die feuchte, dunkle Erde schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, was von Robert noch übrig sein mochte. Ein paar helle Steinchen auf der Grubensohle ließen sie unwillkürlich erschauern. John und Parnko hatten bestimmt darauf geachtet, ausreichend Abstand zu Roberts Überresten zu halten. Es waren also wohl keine Fingerknochen. Dennoch mied sie den Anblick und konzentrierte sich lieber auf die Blumenkörbe, die Vicky und Robert bereithielten.
    Um die Totenbahre abzulassen, mussten Ian und Percy mithelfen. Leicht schaukelnd versank die reglose, weiße Form in ihrem Grab. Der Boden des Grabes war mit duftenden Blättern bedeckt, und genau dieser Duft war es, der Dorothea Übelkeit

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