Die roten Blüten der Sehnsucht
sein? Du bist doch nicht wie Vater. So schlecht bist du nicht. Das will ich einfach nicht von dir glauben.«
» Vater war nicht schlecht. Er liebte uns. Er hat alles dafür getan, dass du den Titel erbst. Und ich habe ihm auf dem Totenbett versprochen, dass du ihn tragen wirst.«
» O Gott!« Percy schloss die Augen, als könnte er ihren Anblick nicht mehr ertragen. Als er sie wieder öffnete und weitersprach, war seine Stimme so leise, dass nur Dorothea, die ihnen am nächsten stand, hörte, was er sagte. » Vater hat uns nie geliebt. Er konnte gar nicht lieben. Niemanden. Er hat uns bloß benutzt. Dich und mich. Aber ich liebe dich. Ich habe dich immer geliebt, Cat, mein Herz! Und ich habe immer alles getan, was du von mir wolltest. Aber verlange nicht von mir, mit der Schuld am Tod eines Kindes auf dem Gewissen leben zu müssen. Das kann ich nicht. Wenn du es mir nicht verrätst, werde ich verschwinden und du wirst mich nie wiedersehen.«
Unvermittelt gab sie nach. » In der Wäschekammer«, flüsterte sie kaum hörbar. » Hier ist der Schlüssel.«
Ians Hand schoss vor, aber Percy wich zurück. » Nein, Cousin, das ist jetzt meine Aufgabe. Ich habe einiges gutzumachen. Stell du dich unter das Fenster und fang ihn auf.« Im nächsten Augenblick war er die Verandastufen hinaufgelaufen und verschwand ohne Zögern im Haus, an dessen Türsturz die Flammen züngelten, als sei es das Eintrittstor zur Hölle.
» Percy, nein!« Der gellende Schrei erreichte ihn nicht mehr.
Ian hinkte, so rasch es sein Bein erlaubte, zur Hinterseite des Gebäudes, während er John und Parnko zurief, die Leiter aus der Scheune zu holen.
» Wasser!« Mrs. Perkins hatte zu ihrer üblichen Geistesgegenwart zurückgefunden. » Mannara, Robert, Vicky– sucht alle Eimer zusammen, die ihr in der Scheune und im Stall finden könnt, und kommt damit an die Pumpe hinter der Küche. Trixie, du bleibst hier und passt auf Mary auf. Verstanden?« Sie sah das tränenüberströmte Mädchen scharf an. » Heulen kannst du später. Sieh zu, dass die Kleine uns nicht zwischen den Füßen herumläuft.– Ma’am, bleiben Sie lieber bei uns. Sie sind dort nur im Wege.«
Dorothea achtete nicht auf sie. Sie rannte Ian hinterher, der bereits hinter dem Haus verschwunden war. In den Rauchschwaden war eine einzelne Person kaum noch auszumachen. Aus dem Inneren waren immer lauteres Knistern und Krachen zu vernehmen: Anzeichen dafür, dass der Brand an Kraft zunahm. Eines der Fenster im oberen Stockwerk barst mit einem erschreckend lauten Knall. Gleich darauf schlugen Flammen aus der Öffnung, gierig auf neue Nahrung. Angefeuert durch den frischen Luftzug fauchte das Feuer auf wie ein Raubtier, leckte an den hölzernen Fensterläden, kletterte höher hinauf zu den Spanten des Dachstuhls.
Das Fenster zur Wäschekammer war dunkel. Offenbar hatte die Tür bisher dem Inferno noch standgehalten. In Dorothea keimte Hoffnung auf. Hoffnung, dass ihr Jüngster tatsächlich gerettet werden könnte. Unwillkürlich stöhnte sie auf, als auch hinter diesem Fenster der rötliche Schein aufschimmerte. Nur kurz, dann wurde das Fenster aufgerissen, und Percy, ein zappelndes Bündel in Händen, hielt Ausschau nach Ian.
» Hier bin ich.« Ian hinkte unmittelbar unter das Fenster, ohne auf die Hitze zu achten, die die Mauern ausstrahlten.
Im nächsten Moment ließ Percy den Kleinen fallen, genau in Ians Arme. Unter lautem Weinen schlug er so kräftig um sich, dass er ihn sofort an Dorothea weiterreichte. » Er scheint völlig in Ordnung zu sein.«
Er sah hoch zum Fenster, in dem Percy nur noch schemenhaft zu erkennen war: Sein Gesicht war von Ruß geschwärzt, seine Kleidung hing in immer noch glühenden Fetzen an seinem Körper. Von Hustenanfällen geschüttelt konnte er sich kaum aufrecht halten.
» Percy, spring! Mach schon, Mann!«
Auch Dorothea verstand nicht, wieso er noch zögerte. Selbst wenn er sich etwas brach, die Höhe war nicht so gefährlich wie das Feuer hinter ihm.
» Master, Achtung: die Leiter«, rief John. Er und Parnko stellten die Stallleiter an.
» Du musst nur noch hinausklettern, Percy.«
Zur Bestürzung aller schüttelte Percy entschieden den Kopf. War er verrückt geworden?
Ian machte Anstalten, selbst die Leiter zu ihm hochzuklettern, aber Percy stürzte in einer letzten gewaltigen Anstrengung die Leiter um.
» Was soll das?« Die drei Männer und Dorothea, die Charles fest an sich presste, sahen fassungslos zu ihm auf.
» Es tut mir leid«,
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