Die Rückkehr der Königin - Roman
und Samthut hatte er abgelegt. Jetzt sah man, wie athletisch der junge Mann war. Doch als er seinen Herrn anschaute, war sein Gesicht angespannt und grau, die Augen funkelten vor Stolz und Schmerz. Was immer ihn hergeführt hatte – entgegen Favrins ausdrücklichen Befehl – musste folgenschwer sein. Kieran war kurz wie erstarrt, dann begriff er, was es war, was es einzig und allein sein konnte. Er war Favrin einen Atemzug voraus, der plötzlich blind nach dem nächsten Halt griff. Das tat er mit der Hand, die die beiden Weingläser hielt. Das feine Glas, dessen Herstellung ein Geheimnis war, das der Süden so sorgfältig bewachte wie die Ehre seiner Frauen, zerbrach. Ein dünnes Rinnsal roten Weines floss aus Angharas Glas wie Blut aus einer Wunde.
»Der Hof weiß es noch nicht«, stieß Moran atemlos hervor und ignorierte den Gast am Kamin. »Der kaissar hat mir als Erstem die Nachricht überbracht, vor nicht einmal einer Minute.«
»Im kaiss? «, fragte Favrin mit heiserer Stimme.
»In seinen Gemächern«, antwortete Moran und schüttelte schnell verneinend den Kopf. »Delvera. Sie wird den Mund halten.«
Favrin senkte den Kopf und hielt sich eine Hand vor die Augen. »O, mein Vater!«, murmelte er. Es war ein persönliches Gebet, dessen Worte eigentlich von niemandem gehört werden sollten. Die Geste sprach von echten Schmerzen, aber Favrins Stimme klang wie üblich zynisch und voller Ironie. »Immer hast du gewusst zu leben; kein Wunder, dass du gewählt hast, die Hand der Götter in den Armen einer Geliebten anzunehmen ...«
Hinter Favrins Rücken blickte Kieran in Angharas ruhige graue Augen. Alarmiert durch ihre übersinnlichen Wahrnehmungen hatte sie das Gemach fast auf den Fersen des Prinzen betreten. Sie wusste, was geschehen war, als ob die Nachricht Moran vorausgeeilt war und sie vor Favrin erreicht hatte. Kieran und Anghara waren gekommen, um mit einem Erben zu sprechen. Jetzt waren sie in Anwesenheit eines Königs.
Favrin schien sich daran fast im selben Moment wie die beiden zu erinnern. Er hob den Kopf und richtete sich kerzengerade auf. »Schick den kaissar zurück und sorge dafür, dass Delvera nichts sagt, ehe ich nicht Gelegenheit hatte, mir ihr zu sprechen. Dann komm und warte.« Moran, der vor seinem neuen König auf ein Knie gesunken war, nickte kurz verstehend und verließ das Gemach. Ganz langsam wandte sich Favrin Anghara zu. Sie war verblüfft über die Verwandlung, die wenige heftige Momente in ihm ausgelöst hatten.
»Ich kann Euch mein Mitgefühl aussprechen und Beileid«, sagte Anghara, die Initiative ergreifend, nachdem beide geschwiegen hatten und zögerten, das Schweigen zu brechen. »Auch ich habe meinen Vater verloren. Doch teilt Ihr nicht mein Schicksal – als dieser alte Löwe starb, war das Löwenjunge erwachsen und bereit. Wohin geht Tath jetzt, König Favrin?«
Das leidenschaftliche Feuer, das noch vor wenigen Minuten in seinen Augen gelodert hatte, war erloschen und durch einen kühlen und berechnenden Blick ersetzt. »Es kommt mir fast so vor, als sei das alles geplant gewesen«, meinte er leise.
Anghara zog eine Braue empor. »Falls Ihr glaubt, ich hätte irgendetwas mit diesem Tod zu tun, beurteilt Ihr mich völlig falsch – der letzte Ort, an dem ich freiwillig hätte sein wollen, als die Tat entdeckt wurde, wäre das Gemach des Sohnes des Opfers.«
Favrin fand irgendwie die Kraft zu lachen. »Mein Vater hätte das genossen. Er liebte Intrigen über alles«, sagte er. »Und es scheint irgendwie erblich zu sein. Ich hatte nicht an eine Verschwörung gedacht, aber sie ist nicht völlig außerhalb des Möglichen. Ich sollte Delveras Verbindungen nach Roisinan untersuchen.«
»Euer Vater hatte stets eine Schwäche für die Frauen aus dem Norden.«
In Favrins Augen blitzte es gefährlich. »Seid vorsichtig, junge Königin, Ihr könntet in Treibsand geraten.«
»Ich bin hergekommen, weil mir das Wort eines Prinzen sicheres Geleit versprach und ich der Ehre eines Ritters vertraute«, erklärte Anghara spitz.
»Aber Ihr habt einen König gefunden«, erklärte Favrin. Er schien diese Vorstellung seltsam zu finden, als könne er noch nicht fassen, dass er alles in Händen hielt, was seinem Vater gehört hatte – ein kaiss voll exotischer Frauen, eine Stadt, eine Krone, die er fest und frei in der einen Hand hielt, und dass er mit der anderen nach einem weit älteren und edleren königlichen Reif greifen konnte.
Doch da war diese junge Frau mit den hellen Haaren
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