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Die Rückkehr der Königin - Roman

Die Rückkehr der Königin - Roman

Titel: Die Rückkehr der Königin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Anghara sehr still, beinahe als hätte ihre Versöhnung nie stattgefunden. Aber Kieran merkte bald, dass es eine neue Art des Schweigens war. Vorher war es aus Verärgerung und grübelnder Frustration geboren. Jetzt ging es tiefer, da war ein Schmerz, dessen Ursprung Kieran zunächst nicht verstand. Er spürte eine tiefe düstere Vorahnung und Erwartung. Und dann – als er ihren Weg im Kopf durchdachte – begriff er plötzlich. Quer über ihrem Weg lag der Fluss Ronval; vor nicht allzu langer Zeit waren seine Ufer vom Blut zweier Armeen getränkt gewesen. Auf diesem Schlachtfeld war Angharas Vater gestorben und hatte die Krone in die wartenden Hände seines Erstgebornen übergeben.
    Angharas Reisen hatten sie noch nie so nah an diesen Ort geführt. Vielleicht hätte sie anders empfunden, wäre sie nicht aus dem Herzen Algiras hergekommen, von dem Palast, wo die Gier der Rashin-Sippe nach der Krone von Roisinan ihren Ursprung hatte. Sie hatte ihrem Vater den Tod gebracht, der sein Land verteidigte. Dieses Wissen brachte den alten Schmerz zurück in Angharas Brust, dessen Ausmaß sie erst jetzt richtig spürte.
    Nachdem er das verstanden hatte, bemühte sich Kieran, einen anderen Weg auszuarbeiten, aber es gab eigentlich keine Alternative. Um nach Roisinan zu gelangen, musste man das Schlachtfeld mit all seinen Geistern überqueren. Alles andere würde zu lang dauern. Sie mussten sich beeilen, über die Grenze nach Roisinan hinein zu entkommen und Angharas Armee nach Miranei führen, ehe Sif mit seinen Männern aus Kheldrin zurückkehrte. Kieran bezweifelte keinen Moment lang, dass eine Armee auf sie wartete, war jedoch weniger optimistisch, dass diese groß und kampfstark genug gegen den zu erwartenden Feind wäre. Die Sterne schienen auf ihrer Seite und hatten Anghara diese Gelegenheit verschafft. Wurde sie nicht genutzt, würde eine ebensolche vielleicht nie wieder kommen.
    »Ich bin bei dir«, sagte Kieran zu der schweigenden Anghara, ohne sie zu berühren, ohne sie anzuschauen. Er drehte erst den Kopf, als er die beinahe elektrische Macht ihres Blickes spürte, und schaute in ein Paar grauer Augen, die vor Erinnerungen schier überflossen. Wieder einmal waren die Worte ein Echo. Der Schatten eines Stehenden Steines auf den Mooren vor Miranei lag quer vor ihnen, der Schatten einer Stunde vor langer Zeit, in der ebenfalls eine schwierige Entscheidung fiel. Die Erinnerung war für Anghara nicht weniger mächtig, als die, welche sich um das Schlachtfeld von Ronval rankten.
    »Bist du sicher, dass du nicht das Zweite Gesicht hast?«, fragte Anghara.
    »Ganz sicher«, antwortete Kieran fröhlich, um die Stimmung aufzubessern. »Zeit weiterzureiten; der Tag wird für uns nicht stehenbleiben.«
    Das wusste Anghara, dennoch konnte sie den Seufzer nicht unterdrücken, der aus tiefster Seele kam. Sie antwortete ihm nicht. Das war auch nicht nötig.
    Der Ronval sah trüb und grau aus. Kieran hatte sie westlich der fatalen Furt geführt, wo der Rote Dynan in seiner letzten Schlacht gefallen war – schließlich war der Ronval eine Grenze zwischen zwei Königreichen und die Furten wurden ständig überwacht. Früher einmal hatte es eine Fähre gegeben, aber der Betrieb war schon lange eingestellt. Sie mussten den Ronval flussabwärts an einer tieferen Stelle durchschwimmen. Das war vielleicht gefährlicher, aber Kieran hatte während der letzten beiden Jahre gelernt, dass er körperliche Gefahren dem Unvorhergesehenen vorzog, falls er und seine Gefährtin nervösen Grenzpatrouillen in die Hände fallen sollten.
    »Er sieht so harmlos aus«, sagte Anghara und drückte mit Worten seine Gedanken aus.
    »Mir wäre es lieber, wir hätten ihn schon im Rücken«, meinte Kieran. Er schnupperte. In der Luft lagen bereits die stinkenden Dämpfe des Vallen Fens. »Wichtig ist, dass uns in Roisinan nicht der gleiche Duft anhaftet, der damals unsere Armee zu Rashins Männern geführt hat, als diese den Ronval überqueren wollten.«
    Anghara lächelte und erinnerte sich an die Geschichte. Sie gestattete sich einen reumütigen Blick zurück wegen der Chance, die sie in Algira verpasst hatte, und drückte dann ihrem Pferd die Fersen in die Flanken.
    Kieran nahm sich einen Moment Zeit, um ihr nachzuschauen, wie sie den Weg vorausritt, hinein in das Königreich, das sie zurückerobern wollte. Er rang mit bittersüßen gemischten Gefühlen. In Roisinan würde sie wieder Königin sein. Das hatte er für sie gewollt, dafür hatte er gekämpft und

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