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Die Rückkehr der Königin - Roman

Die Rückkehr der Königin - Roman

Titel: Die Rückkehr der Königin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Höhe aus, die der gähnende Abgrund zwischen ihren Rangstellungen erlaubte, der eines älteren Ziehbruders. Das verblüffte Anghara offenbar so sehr, dass sie aufhörte zu streiten und gehorchte. Das hieß jedoch nicht, dass sie es willig tat. Sie hatte den Umhang einer Königin umgelegt, mit sämtlichen Vorrechten, von denen eines eine gewisse unangreifbare Autorität war, an die sie sich nur allzu schnell gewöhnt hatte. Jetzt wehrte sie sich innerlich gegen die Kontrolle, auf die Kieran sich so leicht berufen konnte. Als sie am frühen Morgen nach Norden ritten, war ihre Beziehung ziemlich angespannt.
    Das blieb sie auch während des überhöflichen Mittagmahls, als seien sie Fremde – oder schlimmer – Todfeinde, die es nicht vermeiden können, bei einem Hofbankett nebeneinander sitzen zu müssen. Beide waren erleichtert, als die Mahlzeit vorbei war und sie ihre Frustration körperlich bei einem scharfen Ritt austoben konnten. Schließlich führte die Monotonie dazu, dass sie ihren gesunden Humor wiederfanden. Als sie anhielten, um zu übernachten, fragte Anghara ruhig, ob Kieran glaubte, dass Favrin hinter ihnen her sei.
    »Im Moment hat Favrin bestimmt andere Dinge im Kopf«, antwortete Kieran. »Aber ich glaube, dieser Aufschub ist nicht von Dauer. Der Mann ist ein ungemein guter Stratege. Früher oder später wird er sich an dich erinnern. Vielleicht sieht er in dir eine ernste Bedrohung, vielleicht auch nicht – aber was immer er beschließt, es ist in seinem Interesse, wenn du Roisinan nie erreichst. Und er weiß, dass du noch in seinem Land bist und in seiner Macht, sollte er diese ausdehnen wollen. Diesmal hat er keine Versprechen gemacht.«
    »Du glaubst, er wird uns verfolgen?«
    »Vielleicht jetzt noch nicht«, sagte Kieran und fühlte sich absurd jung und unschuldig; beinahe erwartete er das dürre Gespenst Feors auftauchen zu sehen, der ihm einen Klaps auf die Finger versetzte, weil er eine so schlecht durchdachte Analyse vorgetragen hatte. »Im Moment ist er in der gleichen Situation wie Sif, als er Miranei erobert hatte. Aber Favrin hat alles rechtmäßig geerbt und Sif hat sich genommen, was ihm angeboten wurde – beide müssen ihre Aufmerksamkeit zuerst der heimischen Basis widmen, ehe sie daran denken können, weiter entfernt zuzuschlagen. Andererseits wird Favrin eine solche Gelegenheit nie wieder bekommen – Sif außerhalb von Roisinan und du in keiner Position, ihm ernsthaften Widerstand zu leisten. Was ist?«, fragte er lächelnd, als er sah, wie sie ihn mit zur Seite gelegtem Kopf nachdenklich betrachtete. Ihre Mundwinkel waren nach oben gezogen, aber in ihren Augen glänzte etwas, das verdächtig Tränen glich.
    Sie streckte die Hände aus. Er ging zu ihr und nahm sie, dann blickte er ihr fragend in die Augen.
    »Ich habe dich vermisst«, sagte sie unvermittelt.
    Diese Worte weckten in ihm ein Echo, ein schmerzliches Echo. Die Worte selbst waren harmlos, aber sie hatte ihm das schon einmal gesagt – an einem blutigen Morgen auf dem Wehrgang in Miranei, an einem Tag, der ein ganzes Leben zurückzuliegen schien. Jetzt aber waren sie andere Menschen und ihr früheres Ich weit entfernt, im Nebel der Vergangenheit versunken. Doch Kieran scheute zurück vor der Erinnerung, verdrängte sie und lächelte, als er eine Braue fragend in die Höhe zog. »Keine feindlichen Angriffe mehr?«
    Sie lachte laut und drückte seine Finger. Dann machte sie den Mund auf, um etwas zu sagen, doch in diesem Moment brodelte der kleine Blechkessel, den sie über das Feuer gehängt hatten, mit lautem Zischen über, und beide eilten zu ihm, um ihn zu retten. Anghara war müder, als sie zugeben wollte, und nickte schon ein, während sie noch den Becher mit lais-Tee in den Händen hielt. Den kleinen Vorrat hatten sie mühsam aus Kheldrin mitgebracht. Sie schlief fast schon, als Kieran ihr behutsam den Becher aus der Hand nahm und sie neben dem ersterbenden Feuer in eine Decke wickelte. Als Kieran ging, um nach den Pferden zu sehen, ehe er sich selbst zur Ruhe begab, dachte er, dass das langsam zur Gewohnheit wurde – wieder war etwas verhindert worden, was leicht zu einem alles entscheidenden Augenblick hätte werden können. Wieder eine verpasste Gelegenheit. Langsam legte Kieran ein ganzes Archiv verpasster Gelegenheiten an; ehe er einschlief, überflog er seine Sammlung und gestattete sich einen Moment des Bedauerns über all diese Beinahes, die für ihn kostbare Erinnerungen waren.
    Beim Frühstück war

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