Die Rückkehr der Königin - Roman
auf, allerdings so leise, dass Kieran, obwohl er sich nach Kräften konzentrierte, fast nichts verstand. Wütend lauschte er nur noch auf eine plötzliche Änderung des Tonfalls oder auf ein Zeichen, dass seiner Lady Gefahr drohte. In der Tat war es ihr Spiel. Hier im Palast am Meer, weit entfernt von ihrem eigenen Machtzentrum, konnte sie ihr Land zurückerobern, vollständig und befreit von dem Krieg, der seit Jahren an den Grenzen im Süden nagte ... oder sie konnte alles verlieren.
Favrin hatte Anghara höflich einen Platz in einem Sessel aus kunstvoll geflochtenem Korb mit hoher Lehne angeboten, während er selbst sich waghalsig auf die Brüstung setzte, scheinbar ohne an die Gefahr des tiefen Abgrunds auf der anderen Seite zu denken. Selbstverständlich war es eine Pose; Anghara war kurz irritiert, aber dann amüsiert – amüsiert, da er so eine Darbietung offenbar nötig hatte. Er war ein typischer Kämpfer, ein ebenbürtiger Gegner für Sif als Anführer von Männern, und er hatte sich als einer der besten Soldaten seiner Generation erwiesen. Aber es steckte noch mehr hinter dem Bedürfnis, seinen Mut zu zeigen – das Vorrecht des Blutes, die Tapferkeit eines Prinzen. Favrin war einige Jahre älter als Anghara, aber sie verspürte kein Verlangen, etwas zu beweisen, obwohl sie jünger und unbedarfter war. Ihre Blutlinie war weitaus älter und hatte ihre Stärke längst durch Zähigkeit und eine Vielzahl stürmischer Prinzen bewiesen.
Doch auch Favrin war ein würdiger Prinz. Es war nicht seine Schuld, dass er seinen Verstand ausgerechnet mit dem einer Königin messen wollte.
Jetzt hob er das Glas an die Lippen, drehte der Aussicht betont den Rücken zu und trank einen kleinen Schluck. Über den Glasrand musterten seine glänzenden Augen Angharas Gesicht und verließen es keinen Moment lang.
»Wenn Ihr nicht hier seid, um um Euer Land zu feilschen, wie Ihr sagt«, meinte Favrin. »Welchem Umstand genau verdanke ich dann das Vergnügen Eurer Gesellschaft? Ich glaube kaum, dass es das brennende Verlangen war, den Mann kennenzulernen, den Ihr zweifellos für einen unversöhnlichen Feind Roisinans haltet?«
»Seid Ihr das denn nicht?«, fragte Anghara.
»O nein«, antwortete Favrin spöttisch. »Tatsache ist, dass ich es so sehr liebe, dass ich es ganz für mich allein haben will.«
Anghara lächelte nicht über diesen Scherz. »Euer Vater hat diesen Krieg angezettelt.«
»Anfangs ja«, gab Favrin zu. »Ich war nicht bei der Schlacht, in der der Rote Dynan gefallen ist. Doch hinterher, als mein Vater mich für fähig hielt, den Befehl über die Armeen zu übernehmen ... und als mir klar wurde, worum es tatsächlich ging ... ja, da wurde es mein Krieg. Es gab eine Zeit, da saß ein Rashin auf dem Thron unter dem Berge. Hier im Palast gibt es ein Porträt dieses Vorfahren. Ich könnte es Euch zeigen, falls Ihr es sehen wollt. Die Krone Miraneis sitzt gut auf seiner Stirn.«
»Euer gekrönter Vorfahre trägt geborgte Pracht«, sagte Anghara. Ihre Worte waren ein stärkerer Schlag ins Gesicht als irgendein Gast das Recht hatte auszuteilen. »Verzeiht mir, aber in meinen Augen sieht kein Rashin gut aus, wenn er diese Krone trägt. Seit vielen Generationen gehört sie den Männern meines Blutes.«
»Wollt Ihr damit sagen, sie passt zu Sif Kir Hama?«, fragte Favrin. Bosheit glitzerte in seinen Augen.
»Das wird sich ändern«, erklärte Anghara eiskalt.
Beredt zog Favrin eine Braue in die Höhe. »Er hat die Armeen schon einmal übernommen, als es unmöglich erschien, dass eine Frau sie führen könnte«, sagte er.
»Ein Mädchen!«, verbesserte Anghara ihn. »Ja, er hat sie übernommen. Ich werde sie zurücknehmen. Die Zeit ist gekommen.«
»Das ist unwichtig. Die infrage kommenden Armeen sind Kheldrin. Ihr seid hier, und Ihr müsst viele überzeugen, dass Ihr nicht Euer eigener Geist seid«, meinte Favrin trocken.
»Das Siegel des Roten Dynans ging verloren, als seine Tochter verschwand. Dass es wieder da ist, wird den Geist sehr lebendig machen. Bei Euch hat es funktioniert.« Anghara schenkte ihm ein liebenswürdiges Lächeln. »Und was den Rest betrifft ... Sifs Armeen sind nicht die einzigen in Roisinan. Und selbst sie werden zu meinem Banner zurückkehren, sobald es über Miranei gehisst ist.«
»Mir gefällt Eure Zuversicht in die Zukunft«, meinte Favrin höflich. »Ich teile sie – doch leider zeigt mir meine Kristallkugel einen ganz anderen Pfad, als den, welchen Ihr aufgezeichnet
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