Die Rückkehr der Königin - Roman
Jugend und die Unerfahrenheit ihn von der Schlacht ferngehalten hatten, die Dynan das Leben gekostet hatte. Der Krieg war von der Sippe der Rashins begonnen worden – die Blutschuld würde immer da sein. Und dennoch ... Anghara war zutiefst erschrocken, dass der Tod ihres Vaters nicht ihre erste Sorge war. Andere Bilder hatten den Roten Dynan aus ihrem Kopf verdrängt. Eines war verschwommen und waberte am Rand ihres Bewusstseins – Favrin irrte sich, er war der falsche Mann. Der falsche Mann für sie. Dieser Instinkt ging bis ins Mark, auch wenn sie keine Zeit hatte, ihm nachzugehen und genau herauszufinden, weshalb. Das andere Bild war klarer und sehr viel zwingender.
»Sehr klug«, meinte sie schließlich und blickte auf ihre verschlungenen Finger.
»Heißt das, dass Ihr annehmt?«
»Kluger Lord, sämtliche Vorteile einer solchen Verbindung lägen bei Euch. Sollte ich zustimmen, wäre das nicht weniger als eine vollständige Unterwerfung – und die Schlacht hat noch nicht einmal begonnen.«
»Keineswegs«, widersprach Favrin – zu schnell. Anghara straffte die Schultern und schaute auf. In seinen Augen brannte ein eigenartiges hitziges Feuer. Bis zu diesem Moment hatte sie keine Angst gehabt, doch jetzt spürte sie den Hauch einer eiskalten Furcht, die ihr über den Rücken lief. »Und muss es denn überhaupt eine Schlacht geben, Anghara?«, fügte er hinzu, beinahe wie ein nachträglicher Einfall.
»Ihr vergesst, was Eure Frauen auf sich nehmen, wenn sie heiraten«, sagte Anghara. »Die seidenen Fesseln, die hinter dem Seidenvorhang liegen.«
»Sagt lieber, dass sie ihre Männer mit eiserner Hand aus den Gemächern der Frauen beherrschen. Es ist kein schlechtes Leben.«
»Ich wurde in Miranei gekrönt, als ich neun Jahre alt war«, sagte Anghara. »Mein Königreich hat immer mir gehört – es ist mein Geburtsrecht. Wenn ich Roisinan zurückerobere und meinen Thron wieder besteige, werde ich nicht mein Königreich von hinter den Schleiern eines Schlafgemachs regieren, nach Lust und Laune irgendeines Mannes. Wenn Ihr einen leichteren Weg sucht, den Thron von Roisinan zu bekommen, dann nicht so, Mylord.«
»Es könnte dennoch so sein.«
»Würdet Ihr mit den Traditionen Eures Volkes brechen und auf den Seidenvorhang verzichten? Wollt Ihr, dass Eure Barone Euch unmännlich nennen, wegen einer Frau, die sich nicht in einem kaiss einsperren lässt?«
»Glaubt Ihr, dass meine Barone mich unmännlich nennen werden, wenn sie je herausfinden, was sich heute Abend hier ereignet hat – wenn sie erfahren, dass ich einem Feind zugehört habe, der eine Frau ist und diese dann habe laufen lassen?«
»Messt Ihr in diesem Land Männlichkeit danach, wie wenig Eurer Aufmerksamkeit eine Frau wert ist, es sei denn, sie gebärt Euch Kinder?«
»Ich habe Euch gesagt, dass im kaiss eine Art Macht ist.«
Anghara schüttelte den Kopf. »Nicht für mich.«
»Ihr wärt in der Tat keine gewöhnliche kaissan – aber es wäre dennoch möglich. Ja, es könnte so sein«, erklärte Favrin, und bei diesen Worten funkelte etwas in seinen Augen.
Anghara hatte Mühe, unter seinem Blick nicht zusammenzuzucken. »Euer Wort«, erinnerte sie ihn.
Er wich zurück, schluckte und bemühte sich, sein Gesicht zu beherrschen. Dann lachte er unvermittelt. »Ich glaube, ich brauche dringend noch ein Glas Wein«, sagte er mit dem langgezogenen Akzent des Südens, den sie inzwischen kannte. »Darf ich auch Euch nachschenken?«
Angharas Glas war noch halbvoll, aber Favrin nahm es im Vorbeigehen und ging – beinahe fluchtartig – zurück in sein Gemach.
Kieran hatte in letzter Zeit mehrmals gedacht, dass alle Schwierigkeiten und Schmerzen während der vergangenen Monate nur eine Art Übung waren, um ihn mit den endlosen Reserven an Geduld zu versorgen, die er jetzt mehr und mehr brauchte. Er hatte still allein am kalten Kamin in einem von Favrins geschnitzten Stühlen gesessen. Doch jetzt ließ ihn etwas in Favrins Miene kampfbereit aufspringen. Aber er bekam nicht die Gelegenheit herauszufinden, was ihn dazu bewegt hatte, denn in diesem Moment begann sich alles um sie herum aufzulösen.
Es klopfte an der Tür. Blitzschnell drehte sich Favrin um und zeigte, zu welcher Wut der Prinz fähig war, wenn man seine Befehle missachtete. Sogleich trat ein Mann ein; der Mann mit den blonden Haaren, der Kieran und Anghara hergeführt, sich dann aber zurückgezogen hatte. Kieran nahm an, dass er nicht weiter als bis zur Wachstube gegangen war. Mantel
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