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Die Rückkehr der Königin - Roman

Die Rückkehr der Königin - Roman

Titel: Die Rückkehr der Königin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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wusste, ehe sie auch nur in der Nähe waren. In der Festung stand es auf Messers Schneide. Männer, die beiden Abkömmlingen Kir Hamas treu ergeben waren, saßen hinter den Mauern in der Falle. Seit Rochen fortgeritten war, hatten sie von ihm kein Wort mehr gehört – wenn man Angharas Vision nicht zählte. Es gab Männer in Miranei mit Langbögen, deren Pfeile weit schossen. Kieran brachte Anghara nicht näher als nötig heran. Die Armee schlug ihr Lager in Sichtweite aber außerhalb der Reichweite der Pfeile auf.
    Für Anghara wurde ein Zelt errichtet, mit eigener Wache. Anghara stand an ihrem Lagerfeuer – eines von Dutzenden, die brannten –, hatte die Arme verschränkt und starrte trockenen Blickes auf das Schloss. Das Bild, an das sie sich aus ihrer Kindheit erinnerte, hatte sich nicht verändert, abgesehen von den anderen Bannern, die von den hohen Türmen flatterten. Sie vermochte nicht zu sagen, was sie bei diesem Anblick empfand. In ihr brodelte eine eigenartige Mischung aus Hochstimmung, wildem Stolz und entmutigender Furcht – als sie Miranei zum letzten Mal gesehen hatte, war es nicht als zurückkehrende Königin oder Rächerin gewesen. Sie erinnerte sich mit Schaudern an die Kerker der Festung. Das waren ihre letzten Erinnerungen, nicht die an die Halle, wo sie mit neun Jahren gekrönt worden war.
    Kieran beobachtete sie und wartete. Er ruhte nicht, sondern lief im Lager umher, wechselte ein paar Worte an jedem Lagerfeuer, verbrachte einen Moment bei den Männern, die Wache hielten und den Feldschern, die sich auf das unausweichlich Grimmige des kommenden Morgens vorbereiteten. Er war ein Schatten, der wie Hoffnung durch die Reihen streifte, und wenn er weiterging, seufzten die Männer erleichtert auf und versuchten, ein paar Stunden kostbaren Schlafes zu ergattern. Schließlich kam er zu Angharas Zelt. Die Wachen erkannten ihn und traten einige Schritte zurück, um ihrer Königin und ihrem Oberbefehlshaber ein wenig Privatsphäre zu ermöglichen.
    »Morgen in Miranei«, sagte Kieran leise.
    Sie war in ihre Gedanken vertieft gewesen und schrak beim Ton seiner Stimme zusammen; mit fast kindischer Freude grinste er über den Triumph, sie überlistet zu haben.
    Sie wollte zurücklächeln, aber plötzlich glitzerten in ihren Augen die Tränen im Feuerschein, die sie in ihrer Einsamkeit zurückgehalten hatten. Sein Kommen hatte das ausgelöst. »Ich habe schreckliche Angst, darüber nachzudenken«, meinte sie leise.
    »Du gehst nach Hause«, sagte er. »Mehr musst du nicht denken.«
    »Ich wage es nicht, ins Feuer zu schauen«, gestand Anghara als ihre Augen an seinen vorbei die Flammen streiften, dann aber schnell wieder in die Dunkelheit wanderten. »Ich habe Angst vor einer unbekannten Zukunft für uns alle ... aber es wäre unendlich schlimmer ... Ich glaube, ich könnte den morgigen Tag nicht überleben, wenn ich wüsste, was er wirklich bringt.«
    »Wir sind nicht so weit gekommen, um jetzt zu versagen«, erklärte Kieran.
    Jetzt kam das Lächeln, das sie zuvor nicht hatte finden können, als sie ihn unter den Wimpern anschaute. »Dir habe ich es zu verdanken, dass ich nicht den Verstand verliere«, sagte sie. »Morgen ...«
    »Wird alles laut unseren Plänen laufen«, versicherte er ihr. »Du wartest hier, bis ich dich holen komme.« Er ahnte ihren nächsten Satz voraus und strich ihr eine blonde Locke aus der Stirn. »Ich komme zurück«, erklärte er fest. »Zweifle nicht daran.«
    Sie schaute ihm lang in die Augen und nickte. »Ich weiß.«
    Er verneigte sich tief und anmutig nach kheldrinischer Art und verschwand im Schatten. Sie lächelte zu der Stelle, wo er gewesen war, und drehte der schwarzen Masse Miraneis den Rücken zu. Wieder hinterließ Kieran Ruhe und Vertrauen. Anghara zog sich in ihr Zelt zurück und stellte fest, dass sie schlafen konnte – nur wenige Stunden vor dem Kampf, der über ihr Schicksal entscheiden würde.
    Sie waren fort. Kieran und etliche Dutzend Männer, als Anghara erwachte, und das blasse Licht des Sonnenaufgangs durch die Ritzen neben ihrer Zeltklappe eindrang. Er hatte gesagt, er würde sie holen und in die Stadt geleiten. Sie legte die goldenen Gewänder aus der Wüste an und hing sich das say’yin mit dem Großen Siegel ihres Vaters um den Hals. Dann wartete sie auf Kierans Rückkehr.
    Es schien, als würde die Sonne über den Himmel dahinrasen. Kaum war sie aufgegangen, war schon Mittag, und die Sonne hing heiß und still über dem Lager.
    »Was geschieht

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